Hochwasser: Historische Höchstpegel im Norden erwartet

Dramatische Lage weiterhin in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg / Bereits sieben Tote / Neuer Regen im Elbe-Einzugsgebiet

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Berlin (Agenturen/nd). Das Hochwasser an Elbe und Saale sorgt auf seinem Weg nach Norden für immer neue Rekordstände. Während die Pegel an der Elbe in Sachsen und an der Saale in Sachsen-Anhalt am Samstag langsam zurückgingen, bereiteten sich die Menschen stromabwärts an der Elbe in Magdeburg auf das Schlimmste vor. In der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt wurde für Sonntag mit der größten Flut in der Geschichte der Stadt gerechnet.

Besonders zugespitzt hatte sich die Lage in der Nacht auf dem Werder zwischen der schiffbaren Stromelbe und einem Altarm, teilte die Stadtverwaltung mit. Am Nachmittag überstieg der Pegel an der Strombrücke in der Mitte des Stadtgebietes die Marke von 7,37 Meter. Für Sonntag war zuletzt der Höchststand mit 7,40 Metern vorhergesagt worden. Bei der verheerenden Flut im August 2002 waren es an der Strombrücke 6,72 Meter.

Magdeburg stehe ein "dramatisches Wochenende" bevor, erklärte Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD). Vermutlich werde es nicht gelingen, alle Wasseraustritte und Sickerstellen erfolgreich zu bekämpfen. Dieses "größte Hochwasser in der Geschichte unserer Stadt" werde nicht ohne Schaden bleiben, warnte er. Im Einsatz sind derzeit mehr als 3.000 Hilfskräfte, darunter 1.000 Bundeswehrsoldaten. Am Samstagnachmittag mussten zudem an der Mündung der Saale in die Elbe bei Aken rund 10.000 Menschen ihre Häuser kurzfristig verlassen. Ursache waren Deichschäden.

Auch in Brandenburg blieb die Hochwasserlage dramatisch. An der mittleren Elbe in Mühlberg wurde am Samstagmorgen ein Pegelstand von 9,67 Metern verzeichnet. Das waren rund 20 Zentimeter weniger als beim Scheitelpunkt am Freitagmorgen. Allerdings drückte das Wasser dort weiterhin mit enormer Kraft auf die Deiche. Mehrere hundert Helfer waren im Einsatz, um die Deiche zu sichern, teilte der Landkreis mit. Wegen der unsicheren Lage war die Evakuierung von Mühlberg am Freitagnachmittag auf weitere Ortsteile ausgeweitet worden. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Innenminister Dietmar Woidke (beide SPD) besuchten am Samstag erneut Mühlberg.

Weiter stromabwärts in Richtung Prignitz wurden schnell steigende Wasserstände verzeichnet. Hier wird für Dienstag mit einem Höchststand von bis zu 8,10 Meter gerechnet, teilte Umweltministerin Anita Tack (Linke) mit. Auch im Spreewald wurden Vorsichtsmaßnamen ergriffen. Hier wurden alle Fließe für Kähne und Boote gesperrt.

Das Hochwasser der Elbe scheint die Bundesländer am unteren Lauf des Flusses inzwischen deutlich stärker zu bedrohen als bislang erwartet. In Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein warnten die Behörden am Samstag vor historischen Höchstständen im Laufe der kommenden Woche. „Die Wellen von Elbe und Saale haben sich vereinigt und kommen zusammen Richtung Norden“, sagte Achim Stolz, Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), am Samstag. Eine akute Gefahr ergibt sich aus den neuen Prognosen Behördenangaben zufolge aber noch nicht.

Entspannung war dagegen an Spree und Schwarzer Elster angesagt. Dort gingen die Pegelstände langsam zurück. Auch im Süden Sachsen-Anhalts entspannte sich die Situation. In Halle wurde am Vormittag der Katastrophenalarm aufgehoben. Nach den Höchstständen der vergangenen Tage entspannte sich die Lage auch in Sachsen langsam wieder. Im gesamten Freistaat wurden nach Angaben der Landeshochwasserzentrale am Samstagvormittag sinkende Pegelstände registriert.

Opfer der Hochwasserkatastrophe können nach einem Bericht des Berliner "Tagesspiegels" auf ein Entgegenkommen der Steuerbehörden rechnen. Dies gelte zumindest für Flutopfer in Bayern, Sachsen und Thüringen, schreibt das Blatt in seiner Samstagsausgabe. Hintergrund sei eine Vereinbarung des Bundesfinanzministeriums mit den drei Bundesländern. Wie die Zeitung weiter schreibt, können auch flutgeschädigte Bauern auf weitere Hilfen hoffen.

Am Sonntag besucht Bundespräsident Joachim Gauck die ostdeutschen Hochwassergebiete. Nach Angaben des Bundespräsidialamtes will sich das Staatsoberhaupt am Vormittag in Halle an der Saale und am frühen Nachmittag in Meißen an der Elbe informieren. Neben der Teilnahme an einem Gottesdienst will Gauck dabei vor allem Gespräche mit Betroffenen des Hochwassers sowie Helferinnen und Helfern führen.

Bundesweit stemmen sich 70.000 Feuerwehrleute und mehr als 11.300 Bundeswehrsoldaten gegen die Flut. Mindestens sieben Menschen starben, seitdem in Deutschland die Hochwasserkatastrophe begonnen hat. Mehrere werden vermisst. Unterdessen droht neues Ungemach. Für das Elbe-Einzugsgebiet in Tschechien sind Niederschläge am Wochenende angekündigt. Das werde die Hochwasserlage an dem Fluss nicht verschärfen, könnte den Ablauf des Wassers aber verzögern, betonten die Hydrologen.

Hochwasser-Touristen sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte der „Leipziger Volkszeitung“. Wer jetzt „den Helfern zwischen den Beinen steht oder meint, an den Spundwänden rumfummeln zu müssen, muss völlig den Verstand verloren haben“. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer verlangte in derselben Zeitung ein deutlich härteres Vorgehen gegen die unerwünschten Hochwasser-Touristen.

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