Alles von Schülern gemacht
»Peer Gynt Sweet Teen« mit 60 Puppen in der Schaubude
Da geht er hin, der von seiner Mutter verhätschelte junge Mann. Bei den Leuten im Dorf kommt er nicht gut an mit seinen Lügengeschichten, mit denen er sich aus der Realität flüchtet und den verarmten heimischen Bauernhof zum Palast erklärt. Seine Braut lässt er im Stich. Unterwegs in der Welt bekommt er es mit Trollen, Dämonen und Beduinen zu tun und bezahlt sein Lehrgeld. Arm heimgekehrt vergleicht sich Peer Gynt später mit einer Zwiebel - viele Häute, kein Kern.
Das 1867 nach norwegischen Feenmärchen entstandene Gedicht von Henrik Ibsen, das als Bühnenfassung mit Edward Griegs Musik 1876 erstmals aufgeführt wurde, ist jetzt in der Schaubude als Fassung »Peer Gynt Sweet Teen« mit 60 Puppen, 15 Puppenspielern, zehn Sprechern und kleinem Orchester zu sehen. Unter der musikalischen Leitung von Uwe Kühnert gibt es dazu die elektronisch unterstützte Version von Griegs Peer-Gynt-Suiten 1 und 2.
Fast 60 Beteiligte brachten das Vorhaben für Kinder ab zehn Jahren zusammen heraus. An der Erarbeitung des Projekts von »Fluchtkunst« in Koproduktion mit dem Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Gymnasium, der Erika-Mann-Grundschule und der Schaubude Berlin waren 75 Schüler der 6. bis 8. Klasse aus Wedding, Pankow und Prenzlauer Berg beteiligt. Kurz vor der Premiere kam es zum Crash. Schüler aus Wedding sprangen ab. So war die erste Aufführung mit einigem Zittern verbunden. Schade, aber kein das Projekt vernichtendes Unglück.
Unter der Leitung von Joachim Hamster Damm schufen die Schülern alles selbst, was das Stück brauchte. Sie bauten die imposant anzusehenden Puppen, malten die Bühnenbilder, stellten alle Requisiten her. Auch ein 60-seitiges Comic-Programmheft entstand. Hamster Damms Regie trennt Sprache und Spiel. Die Spieler, die die Puppen aus Klappen im Bühnenboden führten, konnten sich auf die Figurenchoreografie von Sandy Schwermer konzentrieren. Natürlich gab es bei der Premiere Pannen. So stürzte die Figur Peer Gynts nach einem Gelage mit Kapitalisten samt einem Stuhl in eine Luke. Aber das passte eigentlich ganz gut.
Die Leistung der Kinder bleibt von solcherart Zwischenfällen ungeschmälert. So wurde die 90-minütige Produktion am Ende mit großen Applaus belohnt. Mit einem langen dazu, denn der Regisseur stellte alle Beteiligten einzeln namentlich vor. Großartig, was der vielseitige 48-jährige Künstler, der sein Studium an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee von 1986 bis 1992 absolvierte, mit den Kindern zustande brachte. Kulturelle Bildung, wie sie intensiver nicht sein kann.
Das mit 17 000 Euro geförderte Projekt ist eins von 33, das die Jury des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung für das erste Halbjahr 2013 mit einer Gesamtfördersumme von 396 000 Euro auswählte. Schwierige Bedingung für solcherart Vorhaben ist immer die Kooperationen dreier Partner aus dem Kunst-, Bildungs- und dem Jugendbereich.
Wieder: heute, 10 Uhr, Schaubude, Greifswalder Str. 81, Prenzlauer Berg, Tel.: 423 43 14, www.schaubude-berlin.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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