Keupstraße erhält Anti-Rechts-Beratungsstelle
In Köln öffnet die dritte Einrichtung in Nordrhein-Westfalen für Opfer rechtsextremer Gewalt
Fast genau neun Jahre nach dem Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße wird in der Domstadt ein spezielles Beratungsangebot für die Opfer rechtsextremer Gewalt eingerichtet. Durch das Attentat in der überwiegend von türkischstämmigen Geschäftsleuten und Anwohnern besiedelten Straße, das dem rechtsextremen NSU zugeschrieben wird, waren mehr als 22 Menschen zum Teil schwer verletzt worden.
Noch immer leiden Menschen in der Keupstraße unter der Traumatisierung, die der Anschlag und die nachfolgenden Verdächtigungen von Seiten der Ermittlungsbehörden ausgelöst haben. Die Traumatisierung der Opfer sei nicht ihr individuelles Problem, sagte Jörg Detjen. Der Vorsitzende der Kölner Stadtratsfraktion der Linkspartei hat sich gemeinsam mit dem SPD-Ratsherrn Walter Schulz für die Einrichtung des Projekts stark gemacht. »Es ging uns darum, eine öffentliche Diskussion darüber herzustellen«, sagte Detjen. »Wir können nur versuchen, das Leid der Opfer zu mildern und ihnen Respekt und Anerkennung zu verschaffen.« Mit dem neuen Angebot sollen die Opfer über entschädigungsrechtliche Fragen sowie soziale und therapeutische Hilfsmöglichkeiten informiert werden, sagte Helga Blümel, Geschäftsführerin des evangelischen Diakonischen Werks Köln, die für das neue Angebot zuständig ist. Eine Mitarbeiterin der Diakonie wird zweimal in der Woche in der Keupstraße auf die Anwohner zugehen. Dieses Angebot versteht der Träger als niederschwellig - obwohl die Mitarbeiterin kein Türkisch spricht. Die Diakonie habe zwar in Erwägung gezogen, eine türkischsprachige Kraft für die Aufgabe auszuwählen, sich aber dagegen entschieden, sagte Blümel. »Wir wollten uns nicht aufs Glatteis begeben.« Mit der Auswahl - ob Kurde oder Türke, Mann oder Frau, sunnitische, alevitische oder andere religiöse Ausrichtung - hätte der Träger eine Vorentscheidung getroffen, wen er in der türkischen Community ansprechen wolle, erklärte die Geschäftsführerin.
Das Projekt ist auf ein halbes Jahr angelegt. Insgesamt sollen dafür 20 000 Euro zur Verfügung stehen. Jeweils 7000 Euro kommen von der Stadt Köln und dem Landschaftsverband Rheinland, der Vereinigung der rheinischen Kommunen. Den Rest soll die nordrhein-westfälische Landesregierung beisteuern, noch ist allerdings ungewiss, ob sie dazu bereit ist. Nach einem halben Jahr werde sich zeigen, ob und wie es mit dem Projekt weitergeht, sagte Blümel. Möglicherweise werde es in ein Beratungsangebot für alle Opfer rechtsextremer Gewalt überführt.
In ganz NRW gibt es bislang nur zwei Anlaufstellen für Opfer rechtsextremer Gewalt. »Back up« in Dortmund wurde im November 2011 eröffnet. Dem NSU wird der Mord an dem Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik im April 2006 zugeschrieben. »Wir betreuen auch Angehörige des Opfers«, sagte Projektleiterin Claudia Luzar. Die Beratungsstelle sei allerdings nicht deswegen ins Leben gerufen worden, sondern weil es sehr viele Fälle von Körperverletzung, Bedrohung oder Beleidigung durch Rechtsextreme in Westfalen gebe. Allein im Jahr 2012 haben sich 100 Betroffene an »Back up« gewendet.
Im Juli 2012 gründete das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW in Düsseldorf die »Opferberatung Rheinland«, an die sich laut Projektleiterin Birgit Rheims auch Anwohner aus der Keupstraße gewandt haben. Im Herbst bat die Interessengemeinschaft Keupstraße, eine Vereinigung von Geschäftsleuten, darum, eine Anlaufstelle vor Ort einzurichten. »Das ist uns nicht gelungen, weil uns die Ressourcen fehlten«, sagte Rheims. Aktuell betreut die Einrichtung mehr als 50 Personen.
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