Gegen das zynische Achselzucken

Der Citoyen im Zeitalter der Datenströme ist in Gefahr: Warum es nicht reicht, wegen Prism, Tempora und Co auf die USA zu zeigen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.

Potzblitz! Geheimdienste forschen im Geheimen das aus, was Menschen für sich als Geheimnisse betrachten könnten: Telefonate mit der Freundin, SMS an den Genossen, Emails an den Chef. Das ist so überraschend, wie der morgendliche Sonnenaufgang. Ja, richtig: Was nun täglich an Enthüllungen verbreitet wird, hätten wir bereits wissen können oder haben es gewusst. Vielleicht nicht die Dimension und die Details, aber das Prinzip. Und doch gibt es keinen Grund, angesichts der immer neuen Nachrichten über die Ausspähung unserer Telekommunikation durch diesen oder jenen Geheimdienst nun in zynisches Achselzucken zu verfallen.

Es wird auch keineswegs genügen, jetzt mit dem Finger über den großen Teich zu zeigen, weil es die NSA ist, von deren Ausforschungspraktiken wir nun fast täglich Genaueres erfahren. So wenig es glaubwürdig erscheint, dass das Absaugen von Millionen Internet- und Telefondaten durch den US-Geheimdienst ohne Wissen der »befreundeten« Behörden hierzulande geschehen konnte, so überflüssig wäre ein jeder Geheimdienst zu nennen, dem ein solcher Fall von Massenspionage gegen die Bürger »seines« Landes unbekannt geblieben wäre. Was also wussten Angela Merkel und andere?

Wenn sich nun bundesdeutsche Politiker darüber empören, was da unter Etiketten wie Prism, Tempora und Co geschieht, dann erscheint das einerseits völlig angebracht, könnte aber andererseits erst dann Glaubwürdigkeit beanspruchen, wenn sich dieselben Politiker hierzulande für wirklichen Datenschutz einsetzten, sich den wiederholten Versuchen der Grundrechtseinschränkung nicht nur rhetorisch entgegenstellten und in Sachen Geheimdienste endlich von einer sich als realpolitisch tarnenden Position abrückten, welche solche grundsätzlich demokratie- und kontroll-inkompatiblen Behörden am Ende jeder medialen Erregungsphase doch wieder als notwendig verteidigt.

Gegen das Ausspähen von Millionen Menschen hierzulande und anderswo kann nur eine neue Bürgerdatenschutzbewegung etwas ausrichten, eine, die über den Kreis jener Aktivisten und Kritiker hinausreicht, welche schon in den vergangenen Jahren wieder und wieder darauf hingewiesen haben, dass das Mehr an Datenfluss ohne entsprechende demokratische Regeln auch ein Mehr an Überwachung mit sich bringt und dass unter dem Deckmantel von »Terrorabwehr« und Kriminalitätsbekämpfung elementare Freiheitsrechte untergraben werden.

Prism, Tempora und Co stehen nicht für die Gefährdung der Rechte von ein paar Nerds, Politaktivisten und Oppositionellen. Es geht auch nicht um aus dem Ruder gelaufene Staatsaktivitäten. Es geht um mehr - um die Möglichkeit überhaupt, dass Menschen als aufgeklärte und aktive Teile eines selbstbestimmten Gemeinwesens agieren können. Es geht um die Verteidigung des Citoyens im Zeitalter der weltumspannenden Datennetze.

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