Snowden als Piraten-Hoffnung
Noch sind PRISM & Tempora kein Wahlkampfhit
»Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz unberührt«, könnte man in Anlehnung an Wilhelm Busch sagen. Auf die Piratenpartei jedenfalls träfe es zu. Der Newcomer der deutschen Parteienszene, der vor ein bis zwei Jahren alles durcheinander gewirbelt hatte, spielt kaum noch eine Rolle in den Medien. Zwei bis drei Prozent geben die großen Umfrageinstitute den Piraten bei der Sonntagsfrage für die Bundestagwahl im September; in den vier Bundesländern, in denen der Sprung in die Landtage gelang, rutschten sie ebenfalls teils unter die Fünf-Prozent-Marke. Ohnehin sind die Umfragen der Parteien seit Monaten wie festgeschraubt; womöglich hinterlässt die Krise mit all ihren Auswirkungen nicht nur bei Politikern, sondern auch bei Wählern eine große Ratlosigkeit.
Darunter leiden nicht zuletzt die Piraten. An dieser Misere hat, bislang jedenfalls, die seit gut drei Wochen anhaltende Aufregung um Spionageprogramme wie PRISM und Tempora nichts geändert. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden könnte der wichtigste Wahlhelfer der Piraten werden, denn mit seinen Enthüllungen trifft er den Kern der Piraten-Kompetenz und das Interesse ihrer Sympathisanten. Könnte - bisher muss man im Konjunktiv formulieren. Denn in demoskopisch messbaren Zuwachs vermochte die Partei das noch nicht umwandeln, obwohl sie sich alle Mühe gibt: mit juristischen Schritten wie der Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft; mit Symbolik wie dem Vorschlag, Snowden den Bundesverdienstorden zu verleihen; mit einer europaweiten Petition aller Piratenparteien gegen Internetüberwachung.
Die mediale Beachtung der Piratenpartei bleibt indessen spärlich. Der Reiz des Neuen ist längst dahin, interne Auseinandersetzungen werden eher genervt zur Kenntnis genommen, und ansonsten straft ein Großteil der Medien die Piraten mit der gleichen Nichtachtung wie auch andere politische Kräfte, die nicht zum etablierten Macht-, Einfluss- und Postenkartell gehören. Saßen vor zwei Jahren in jeder noch so abseitigen Fernsehtalkrunde die Piraten, so werden sie heute weitgehend geschnitten. Viele Medien richten sich ganz opportunistisch nach der politischen Konjunktur, die von den großen Umfrageinstituten und ihren befreundeten Redaktionen mehr oder weniger absichtsvoll gelenkt wird.
Sollten die Piraten bei der Bundestagswahl scheitern, muss das ganz und gar nicht ihr politisches Ende bedeuten. Sie müssten dann allerdings unter ungleich schwierigeren Bedingungen nachholen, was in den turbulenten, von starkem politischem Wellengang begleiteten Anfangsjahren nur ansatzweise möglich war: eine tragfähige, substanzielle Programmatik zu entwickeln, die über das Minimum »Transparenz, Bürgerbeteiligung, freies Internet und sonst sympathisch ahnungslos« hinausreicht; und eine stabile Parteibasis aufzubauen. Ein schwieriges Unternehmen in der medialen Diaspora außerhalb der bundespolitischen Wahrnehmung.
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