»Reformelan« und andere Floskeln
Westerwelle in Athen - als Phrasendrescher
Guido Westerwelle hat diese Woche den mitfühlenden Freund gespielt. Der Außenminister war in Athen, um bei der griechischen Regierung und bei den Griechen überhaupt gute Stimmung für die Sparkommissare zu machen. Ungerührt von den schweren Verwerfungen in dem Krisenland, die durch den Kurs der Troika nicht gemildert, sondern nur noch verschärft werden, berieselte er seine Gastgeber mit Durchhalteparolen und Gute-Nacht-Sprüchen. Er habe großen Respekt vor dem griechischen Volk und erkenne nun einen Silberstreif am Horizont, erklärte der offenbar lyrisch aufgelegte Wirtschaftsliberale. Und: Der »Reformelan« der Griechen möge nicht nachlassen.
Reformelan! Darauf muss man erst mal kommen. Das klingt, als würden sich die Griechen freiwillig beim Kürzen selbst übertreffen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Obwohl die Arbeitslosigkeit inzwischen bei 27 Prozent, unter jungen Leuten sogar über 60 Prozent liegt - das zum Thema Silberstreif -, nötigt die Troika die Regierung in Athen u.a. gerade, weitere 12 500 Angestellte rauszuschmeißen. Nicht gleich ganz raus: Für ein Jahr werden sie vorher bei geringerem Lohn in eine »Mobilitätsreserve« gesteckt. Auch so eine widerliche Beschönigungsfloskel.
Einen klaren Satz hatte Westerwelle doch dabei: Einen Schuldenschnitt, bei dem die Gläubigerstaaten verzichten, werde es nicht geben. So weit kommt's noch! Nein, es gelte »das Reformpaket, so wie es vereinbart wurde«. Vereinbart? Selten so gelacht. Aufgezwungen wäre das richtige Wort.
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