Orbitaler Ordnungsdienst

UN-Experten diskutieren in New York über die Vermeidung von Gefahren

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
In New York beraten Regierungsexperten aus 15 Staaten im UNO-Hauptsitz am East River ab heute darüber, wie Transparenz und Vertrauen im Weltraum gefördert werden können.

Den Experten aus Brasilien, Chile, China, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kasachstan, Nigeria, Rumänien, Russland, Sri Lanka, Südafrika, Südkorea, der Ukraine und den USA liegt ein ganzer Stapel von Stellungnahmen und Vorschlägen von UN-Mitgliedstaaten vor. Dabei geht es um Verhaltensregeln, die Transparenz von Weltraumprogrammen und -aktivitäten, um Streitschlichtungsmechanismen und Vereinbarungen zur Verhinderung von Missverständnissen und Fehlinformationen.

Maßnahmen zur Abwendung von Bedrohungen und zur Sicherung der friedlichen Nutzung des Weltraums sind dringend erforderlich. Gefahren ergeben sich aus zwei teilweise miteinander verflochtenen Entwicklungen: der Vermüllung des Alls mit Weltraumschrott und der Militarisierung des Kosmos. Immer wieder verdeutlichen militärische Aktionen, Unfälle und Beinahekatastrophen die Gefahren.

Gefährliche Zwischenfälle

Februar 2000: Ein schweres Fragment einer Proton-Trägerrakete schlägt neben dem Haus eines Dorfbewohners in Korgon (Westsibirien) ein.

März 2001: Die Raumstation »Mir« stürzt kontrolliert in den Pazifik vor Neuseeland.

Januar 2002: Trümmer eines drei Tonnen schweren US-Forschungssatelliten stürzen im Norden des Persischen Golfs ab.

Dezember 2002: Ein Teil einer 1985 gestarteten Ariane-Rakete trifft ein Haus in Uganda, niemand wird verletzt.

Januar 2004: Weltraummüll von der Größe eines Kleinwagens stürzt auf ein Feld in Nordargentinien.

März 2007: Weltraumschrott verfehlt über dem Pazifik ein chilenisches Passagierflugzeug nur um Sekunden.

März 2008: Von einer Rakete lösen sich nach dem Start in Baikonur Teile und stürzen auf eine Weide im sibirischen Altai. Vier Pferde werden getötet.

November 2008: Bei der Reparatur eines Sonnensegels der Raumstation ISS verliert eine Astronautin ihre Werkzeugtasche, die seither im All schwebt.

10. Februar 2009: Ein USA-Nachrichtensatellit und der abgeschaltete Militärsatellit »Kosmos-2251« prallen in 780 Kilometern Höhe zusammen und zerbersten.

12. März 2009: Ein 2,5 Zentimeter großes Teil treibt auf die ISS zu. Für Ausweichmanöver ist es zu spät. Die Besatzung flüchtet in die angedockte Sojus-Kapsel, bis die Gefahr vorüber ist.

22. März 2009: Die Besatzung der ISS ändert den Kurs der Station, um eine Kollision zu verhindern.

2010: Russische Weltraumbeobachter warnen im ersten Halbjahr mehr als 40 Mal vor einer gefährlichen Annäherung von Objekten an die ISS. nd

 

Seit Beginn der Raumfahrt wurden nach Angaben der Europäischen Weltraumorganisation ESA etwa 5500 Satelliten in Erdumlaufbahnen geschossen. Davon sind noch etwa 1000 funktionsfähig. Die übrigen sind abgestürzt und verglüht oder sie rasen gemeinsam mit Raketenresten, Explosions- und Kollisionstrümmern um die Erde. Der Katalog des US Space Surveillance Network (SSN) verzeichnet rund 17 000 Objekte von mindestens zehn Zentimeter Durchmesser. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit können diese Teile bei einer Kollision mit anderen Flugkörpern enormen Schaden anrichten. Schon ein zentimetergroßes Objekt setzt beim Zusammenstoß mit einem Satelliten die Energie einer explodierenden Handgranate frei. Wissenschaftler befürchten sogar, dass die steigende Zahl von Raketentrümmern und Schrottsatelliten die friedliche Raumfahrt völlig zum Erliegen bringen könnte. Zwar hat man sich im Weltraumausschuss der Vereinten Nationen und im EU-Rahmen auf Richtlinien und Verhaltensregeln geeinigt, die die Entstehung von Weltraumschrott eindämmen sollen. Doch die Anwendung ist freiwillig und langfristig ist das Problem damit nicht gelöst.

Für das Militär spielt der Weltraum eine immer größere Rolle. Nahezu die gesamte militärische Kommunikation läuft schon jetzt über Satelliten. Es gibt Pläne, den Weltraum als militärische Teststätte zu missbrauchen und bewaffnete Satelliten ins All zu schießen. Mögen manche Projekte auch exotisch erscheinen, an ihrer Verwirklichung wird intensiv gearbeitet. Die Palette reicht von Minisatelliten, die andere Satelliten manipulieren, bis zu Minen, die an einen Flugkörper herangeführt werden, um ihn zu zerstören. Sowohl die USA als auch China haben bereits eigene Satelliten zu Testzwecken abgeschossen. Derartige Aktivitäten führen zur weiteren Anhäufung von Schrott im Weltraum.

Obwohl unverzügliches Handeln geboten ist, hat sich in den vergangenen Jahren wenig bewegt - obwohl die Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung internationaler Abrüstungsgremien steht. Der UN-Weltraumausschuss erarbeitete immerhin den rechtsverbindlichen Weltraumvertrag, der den Mond und andere Himmelskörper zum Gemeingut der Menschheit erklärt. Der 1979 abgeschlossene Mondvertrag verbietet Anwendung und Androhung von Gewalt in Bezug auf die Erde, den Mond, auf Raumschiffe und künstliche Weltraumprojekte. Diese völkerrechtlichen Regelungen setzen einer Militarisierung des Kosmos Grenzen, schließen sie aber nicht völlig aus.

Trotz vieler Vorschläge haben sich die Staaten bisher auf keine weiteren völkerrechtlich verbindlichen Abkommen verständigt. Die von der Expertengruppe auszuarbeitenden Empfehlungen zur Erhöhung von Transparenz und Vertrauen im Weltraum können Abrüstungsmaßnahmen nicht ersetzen, aber vielleicht einen Schritt zu mehr Sicherheit und Stabilität vorzeichnen. Nach Fertigstellung wird der Bericht der UN-Vollversammlung zur Erörterung und Beschlussfassung vorgelegt.

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