Freihandel: Piraten fordern Stopp der Gespräche mit den USA
Bundesregierung soll erst über Spionage aufklären / Katalog mit 13 Fragen an Schwarz-Gelb gerichtet / Kritik auch von der Linkspartei
Berlin (Agenturen/nd). Die Piratenpartei hat von der Bundesregierung verlangt, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA so lange auszusetzen, bis eine Reihe von Fragen zur Spionage von US-Geheimdiensten in Deutschland sowie zur Zusammenarbeit der NSA mit dem BND geklärt sind. »Die Bürger haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, was die Bundesregierung über die Aushebelung der Grundrechte durch die Überwachungsprogramme wusste«, heißt es in einem Brief der Piraten an die Kanzlerin.
Die Partei richtete einen 13 Punkte umfassenden Fragenkatalog an Angela Merkel und die übrigen Regierungsmitglieder, »um für Klarheit und Transparenz zu sorgen«. Der stellvertretende Vorsitzende der Piraten, Markus Barenhoff, sagte, die durch den früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden möglich gewordenen Enthüllungen hätte Schwarz-Gelb »zum Anlass nehmen können, die Bürger über Tätigkeiten eigener Geheimdienste zu informieren und über die Vorgehensweise anderer Dienste aufzuklären. Stattdessen aber mauert die Bundesregierung«. Markus Kompa, Piratenpolitiker aus Nordrhein-Westfalen, sagte, »jegliche Toleranz oder gar Beteiligung deutscher Dienststellen beim Ausspionieren« von Bundesbürgern sei »eindeutig verfassungswidrig. Kein souveräner Staat kann es sich bieten lassen, von Freunden ausgespäht zu werden.«
Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, forderte ebenfalls von der Kanzlerin, das Freihandelsabkommen mit den USA zu stoppen. »Die Europäische Union macht sich mit Verhandlungen angesichts der feindseligen Spionage gegen politische Vertretungen, Wirtschaft und unbescholtene Bürger lächerlich«, sagte die Linkenpolitikerin. Sinnvoller wäre ihrer Meinung nach »ein koordinierter Kampf zur Austrocknung von Steueroasen nach dem Vorbild des US-amerikanischen FACTA«.
Kritik äußerte Wagenknecht zudem am »wirtschaftspolitischen Irrsinn« des Abkommens. Es nütze »den großen Banken und Konzernen wie JP Morgan Chase, Deutsche Bank, BMW und Monsanto, nicht der europäischen Binnenwirtschaft«, erklärte sie. Die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit werde US-Konzernen Klagen gegen soziale und ökologische Standards in Europa ermöglichen; auch drohten eine weitere Deregulierung des Finanzsektors sowie die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen.
Dagegen sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, ein Aussetzen der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA »wäre ein falsches Signal gewesen«. In der »Passauer Neuen Presse« sagte der FDP-Politiker, das Abkommen liege »im Interesse Europas und im besonderen Sinne Deutschlands«. Die Gespräche darüber beginnen am Montag in Washington. Dabei bestehe nach Röslers Ansicht auch eine »gute Gelegenheit, das Thema Datenschutz und Datensicherheit ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen«.
Die geplante Freihandelszone von USA und EU wäre die größte der Welt. Die Europäer hatten die Verhandlungen an gleichzeitige Gespräche zur Klärung der Spionagevorwürfe geknüpft. Arbeitsgruppen mit Geheimdienstexperten aus den USA und der EU sollen nun ebenfalls am Montag ihre Beratungen aufnehmen. Die NSA steht im Verdacht, Vertretungen der EU und einiger Mitgliedstaaten abgehört zu haben. Außerdem soll der US-Geheimdienst systematisch Internet- und Telefondaten abgreifen.
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