NSA hat unbegrenzten Zugriff auf globale Internetdaten

Neues Material des Whistleblowers Snowden veröffentlicht / Bundesregierung gewährte 2003 US-Spionagefirmen Sonderrechte

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Berlin (Agenturen/nd). Die britische Tageszeitung »The Guardian« hat eine weitere NSA-Präsentation veröffentlicht, wonach der US-Geheimdienst praktisch unbegrenzten Zugriff auf Internetdaten der Menschen weltweit habe. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hatte bereits Anfang Juni in seinem ersten Interview behauptet, er hätte auch den US-Präsidenten belauschen können, wenn er die E-Mail-Adresse gewusst hätte. Dies war von US-Offiziellen dementiert worden.

Der in Brasilien lebende US-Journalist Glenn Greenwald, mit dem Snowden zusammen arbeitet, veröffentlichte am Mittwoch in der Online-Ausgabe des »Guardian« eine Präsentation aus dem Jahr 2008 zum Programm »XKeyscore«. Geheimdienstmitarbeiter können danach in »enormen Datenbanken« der NSA nach Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Schlagworten suchen. Für die einzelnen Anfragen bräuchten sie keine gesonderte Zustimmung eines Richters oder eines anderen NSA-Mitarbeiters, schreibt der »Guardian«. Auch die Beobachtung der Internetaktivität einzelner in Echtzeit sei mit »XKeyscore« möglich.

Laut den Folien können NSA-Mitarbeiter mittels des Programms in Echtzeit auf »fast alles, das ein typischer Nutzer im Internet tut« zugreifen - E-Mails, Suchanfragen und Verbindungsdaten von Millionen Menschen. Demnach basiert das Programm auf 500 Servern rund um die Welt. XKeyscore erlaubt den Folien zufolge, Nutzer nicht nur über ihre E-Mail, sondern mittels einer detaillierten Suchmaske auch über zahlreiche weitere Kriterien zu finden.

So kann das Netz nach Nutzern durchsucht werden, die in Pakistan etwa auf Deutsch kommunizieren, oder den Kartendienst Google Maps nutzen, um Anschlagsziele auszuspähen. Diese Informationen können mittels XKeyscore isoliert und zum entsprechenden Nutzer zurückverfolgt werden. Den Informationen zufolge wird das Programm laufend verbessert. Laut den Folien wurden »mehr als 300 Terroristen« dank des Programms gefasst, doch wurden spezifische Beispiele vom »Guardian« geschwärzt.

Laut einem Bericht des »Spiegel« von vergangener Woche setzten auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Auslandsgeheimdienst BND XKeyscore ein. Demnach wurde der Verfassungsschutz mit dem Programm ausgerüstet, »um dessen Fähigkeiten auszubauen, die NSA bei der gemeinsamen Terrorbekämpfung zu unterstützen«. Der BND solle den Verfassungsschutz im Umgang mit der Spähsoftware unterweisen. Der Verfassungsschutz erklärte, er setzte das Programm nur »testweise« ein.

Unterdessen hat die Bundesregierung auf einen Bericht des ZDF-Magazins »Frontal 21« reagiert. Dieses hatte berichtet, dass das Kabinett im August 2003 amerikanischen Firmen »Ausnahmeregelungen und Vorteile« bei deren Arbeit für die US-Streitkräfte in Deutschland eingeräumt habe. Dabei handelte es sich um »analytische Aktivitäten«. Das belegt eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 11. August 2003 unter rot-grüner Regierung. Wie das ZDF berichtete, seien diese Firmen vorwiegend an elektronischer Aufklärung beteiligt.

Die Bundesregierung erklärte dazu am Mittwoch, unter »analytische Aktivitäten« seien militärisch-technische Dienstleistungen zu verstehen. Was das genau bedeute, werde aber noch geprüft. Die Ausnahmeregelungen für die US-Firmen sind in zahlreichen Verbalnoten von 2001 an bis heute vereinbart. So bekam auch die Firma Booz Allen Hamilton, für die Snowden arbeitete, eine Lizenz für »nachrichtendienstliche Operationen« in Deutschland. Das belegt eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 25. November 2008 unter der Großen Koalition.

2011 räumte die Bundesregierung unter Angela Merkel auf eine Kleine Anfrage der Fraktion »Die Linke« ein, dass in den Jahren 2004 bis 2011 über 200 US-Firmen Sonderrechte für geheimdienstliche Tätigkeiten in Deutschland gewährt wurden. Rechtliche Grundlage der Sonderrechte ist Artikel 72 Absatz 4 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut.

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