Berliner Hoteliers fürchten um Touristen
Senat hofft dank Bettensteuer aber auf Mehreinnahmen
Ein Julisonntag am Brandenburger Tor: Touristen stehen dort, wo vor einem Vierteljahrhundert noch die Mauer stand. Sie machen Fotos oder hören dem Reiseleiter zu. Gerade kommen etwa 20 Berlin-Besucher mit dem Fahrrad an. Die Stadt ist beliebt: Allein von Januar bis Mai kamen fast 3,8 Millionen Besucher in die Hauptstadt. Das sind 5,3 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und mehr als die Stadt Einwohner hat. Rund 2,3 Tage blieben die Touristen im Schnitt.
Die chronisch klamme Stadtverwaltung will nun auch ein Stück vom Tourismuskuchen abkriegen. Ende April beschloss der rot-schwarze Senat eine Übernachtungssteuer - die sogenannte City Tax. Fünf Prozent sollen auf die Netto-Hotelrechnung aufgeschlagen werden, wenn die Reise nicht geschäftlich war. Auch Besucher von Pensionen, Ferienwohnungen, Jugendherbergen und Campingplätzen will man zur Kasse bitten. 25 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr erhofft sich der Senat.
Bereits seit Juli sollte die Steuer gelten, noch hapert es jedoch an der Umsetzung. Zudem kommt die City Tax bei der Wirtschaft nicht gut an: Der Hotel- und Gaststättenverband Berlin appellierte noch vor dem Senatsbeschluss an Wirtschaftssenator Ulrich Nussbaum (parteilos), dass er die Hotellerie unterstützen solle, damit die Steuer in der geplanten Form nicht durchgesetzt werde.
Für Berlin wäre ein Wegbleiben der Touristen tatsächlich ein schwerer Schlag: 10,3 Milliarden Euro ließen die Gäste 2011 in der Spreemetropole. Im Schnitt gab jeder Besucher 56,70 Euro pro Tag aus. Doch die wenigsten schliefen in Hotels. Knapp drei Viertel waren Tagesgäste, 14,4 kamen bei Verwandten oder Bekannten unter. Nur 12,2 Prozent suchten sich eine gewerbliche Unterkunft.
Tourismusexperte Claus Pretzell von der Investitionsbank Berlin geht indes davon aus, dass es »erst mal keine große Änderungen geben wird, was die Lust der Touristen auf Berlin angeht«. Ein Boom in diesem Bereich breche so schnell nicht ab. Und der Boom hält seit nunmehr zehn Jahren an. Mit knapp 25 Millionen Übernachtungen war Berlin 2012 nach London und Paris die beliebteste Stadt Europas. Im Vergleich zu 2011 stieg die Zahl um 11,4 Prozent - so stark wie in keiner anderen Großstadt.
Claus Pretzell schätzt, dass Berlin spätestens 2016 die 30-Millionen-Marke bei den Übernachtungen knacken wird. »Berlins Ausstrahlungskraft wird noch lange andauern«, so das Fazit des Tourismusexperten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.