Islamunterricht startet in zwei Bundesländern
Niedersachsen und Hessen folgen NRW
Frankfurt am Main. Mit dem neuen Schuljahr sind es drei von 16 Bundesländern, in denen islamischer Religionsunterricht als ordentliches Schulfach angeboten wird. Nachdem Nordrhein-Westfalen regulären Islamunterricht bereits zum Start des Schuljahres 2012/13 einführte, folgen in den nächsten Tagen und Wochen Niedersachsen und Hessen. Bundesweit gibt es schätzungsweise etwa 700 000 muslimische Schüler.
Lösungen für den Übergang
Für einen Schub bei der Einführung des Islamunterrichtes analog zum Religionsunterricht christlicher Kirchen sorgten zwei Ereignisse: Zum einen waren dies die inzwischen umgesetzten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Etablierung von Zentren für islamische Theologie an deutschen Hochschulen, die muslimische Religionslehrer und Imame ausbilden sollen. Eine weitere Hürde räumte die Deutsche Islam Konferenz aus dem Weg. Sie empfiehlt, dass es bei den rechtlichen Voraussetzungen für Islamunterricht durchaus Übergangslösungen geben kann.
Ein Hindernis für die Einführung von Islamunterricht als ordentliches Schulfach war bisher, dass anerkannte Religionsgemeinschaften auf Seiten der Muslime als Kooperationspartner für den Staat fehlten. Denn das Grundgesetz schreibt vor, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. In der Praxis bedeutet das, dass etwa die Landeskirchen und Bistümer an der Erstellung der Lehrpläne sowie an der Auswahl der Religionslehrer mitwirken.
Als erstes Bundesland hatte NRW im Sommer 2012 islamischen Religionsunterricht eingeführt. An 33 von mehr als 3000 Grundschulen werden rund 2000 muslimische Schüler erreicht. Voraussetzung ist eine Klassenstärke von zwölf Schülern. Ab dem neuen Schuljahr soll Islamunterricht auch an weiterführenden Schulen angeboten werden. Da in NRW noch kein Islamverband als Religionsgemeinschaft anerkannt ist, wurde ein Beirat eingerichtet, der an der Auswahl der Lehrkräfte und der Entwicklung von Lehrplänen beteiligt ist. Ihm gehören vier Vertreter des Koordinationsrates der Muslime und vier vom Land berufene Muslime an. Diese Beiratslösung ist bis 2019 befristet.
In Niedersachsen, wo es ebenfalls eine Beiratslösung gibt, wird das neue Fach zunächst in aufsteigenden Klassenstufen an den Grundschulen angeboten. Voraussetzung ist eine Jahrgangsstärke von mindestens zwölf Schülern. Sie erhalten wie in anderen Fächern Noten. Das Fach ist damit versetzungsrelevant. Im Schuljahr 2014/15 soll dann der Sekundarbereich I folgen. An den 3000 allgemeinbildenden Schulen des Bundeslandes gibt es rund 49 000 muslimische Schüler.
Versuche auch andernorts
In Hessen wird bekenntnisgebundener Islamunterricht an 27 Grundschulen starten. Bei einer Mindeststärke von acht Schülern wird islamische Religion nach staatlichen Lehrplänen, in deutscher Sprache und von staatlichen Lehrern unterrichtet. In der Einführungsphase werden etwa 440 Erstklässler an zwei Stunden in der Woche unterrichtet. Das Angebot soll schrittweise auf andere Jahrgänge der beteiligten Schulen ausgedehnt werden. Als Kooperationspartner sind in Hessen der Landesverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion und die Ahmadiyya Gemeinde anerkannt. Hessen reklamiert deshalb für sich, als erstes Land bei der Einführung des Islamunterrichts die Voraussetzungen des Grundgesetzes zu erfüllen.
In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird Islamunterricht punktuell im Rahnen von Schulversuchen erteilt.
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