Geteilter Osten
Immobilieninvestoren sehen viele Städte in den neuen Ländern als Chance - andere hat man abgeschrieben
Bei US-Pensionsfonds, britischen Investoren und deutschen Investmentgesellschaften sind Wohnblocks in Deutschland beliebt. Das betraf bislang vor allem westdeutsche Metropolen. Doch die sind von »Heuschrecken« weitgehend abgegrast. Nun richtet sich der Blick gen Osten.
»Viele Investoren suchen Kapitalanlagen, die verlässliche Einnahmeströme bringen und eine Rendite von vier Prozent und mehr«, berichten Bankanalysten und Finanzberater. Ganz oben bei den Sachwerten stehen weiter Immobilien. Wohnblocks in Deutschland bringen durchschnittlich eine Rendite von über vier Prozent. Auch im Osten. Doch nicht überall.
Berlin (nd). In Jena und Potsdam werden Ostdeutschlands höchste Mietpreise gezahlt. Das zeigt eine Auswertung des Immobilienportals Immowelt. In Jena stieg die durchschnittliche Miete auf 8,60 Euro je Quadratmeter, das bedeutet einen Anstieg seit 2008 um 18 Prozent. Dahinter liegen die Mieten in Potsdam mit 8,50 Euro im Durchschnitt und einem Anstieg von 13 Prozent. Beide Städte haben sich in den vergangenen Jahren als Technologiestandorte etabliert, was hoch qualifizierte Arbeitskräfte anziehe, so das Portal.
In Berlin stiegen die Mieten auf durchschnittlich 8,50 Euro, hier ist der Anstieg mit 25 Prozent besonders hoch. Auch in Erfurt und Dresden liegt der Anstieg der Mieten mit 13 bzw. 19 Prozent über dem der Inflation, die für den gleichen Zeitraum rund zehn Prozent betrug. Unterhalb der durchschnittlichen Inflation liegen die Mieten demnach in Zwickau, Gera, Chemnitz und Halle.
Durch hohe Mieten fehlt es in vielen Städten an bezahlbarem Wohnraum für alle. Um weitere Steigerungen zu vermeiden, müsse jetzt bei den Bestandsmieten begonnen werden, sagte der Geschäftsführer des Thüringer Mieterbundes, Frank Warnecke. Die heutigen Mieten für bestehende Verträge seien in wenigen Jahren die Vergleichsgrundlage für neue Mietverträge.
Nach der Wende hatte auf dem Gebiet der früheren DDR ein Bau- und Immobilienboom eingesetzt, der die Preise nach oben trieb - bis die Blase Mitte der 1990er platzte. Hunderttausende Arbeiter, Angestellte und Architekten verloren ihre Jobs, in wenigen Jahren halbierte sich die deutsche Bauwirtschaft. Doch »die Preisübertreibungen sind auf Grund der jahrelang stagnierenden oder fallenden nominalen Preise abgebaut«, schreiben Analysten der Deutschen Bank in einer Studie. In einigen Städten entwickeln sich die Preise für vorhandene Wohnungen sogar wieder »dynamisch nach oben«. Betroffen sind Erfurt, Jena, Potsdam, Rostock und Weimar.
Steigende Preise widersprachen lange den ökonomischen Erwartungen. Schließlich sank in den vergangenen zwanzig Jahren die Bevölkerungszahl in fast allen ostdeutschen Städten um insgesamt rund 13 Prozent - während sie in Westdeutschland und Berlin zulegte. Und der Leerstand ist trotz des Abrisses Abertausender Gebäude mit über fünf Prozent des Wohnungsbestandes weit höher als im Westen (ein Prozent).
Gegen den Negativtrend verzeichneten aber Dresden, Erfurt, Greifswald, Jena, Magdeburg, Leipzig, Potsdam, Rostock und Weimar bereits um 2000 herum wieder steigende Einwohnerzahlen. Seitdem wachsen sie weiter. Jüngst nahm auch in Chemnitz, Cottbus und Halle die Bevölkerung leicht zu, vor allem durch den Zuzug von Studenten. In diesen Städten stieg die Nachfrage nach Wohnungen - und damit die Mieten.
Auf den Mietpreis wirkt auch die Altersstruktur. Nach 1990 verließen vor allem Jüngere Ostdeutschland. Entsprechend stieg der Anteil der Älteren. Das dämpfte den Immobilienmarkt, weil das Einkommen Älterer niedriger ist, sie wenig Interesse an Neubauten zeigen und kaum Kredite bekommen. Doch seit 2005 ist der Altersquotient in Brandenburg an der Havel, Eisenach, Erfurt, Greifswald, Jena, Magdeburg, Potsdam, Rostock, Stralsund sowie Weimar nur noch leicht gestiegen und in Dresden und Leipzig sogar gesunken. Die demografische Entwicklung stabilisiert dort also zumindest die Nachfrage nach größerem und damit teurerem Wohnraum.
Die Einkommen wachsen in den neuen Ländern weiter weniger als in den alten, aber sie zogen an. Zudem brachen durch die Krise die verfügbaren Einkommen im Westen stärker ein als im Osten. Ostdeutschlands Wirtschaft ist weniger von globalen Entwicklungen abhängig als westdeutsche Städte oder die süddeutsche Industrie.
Wirklich schwer tun sich aber die Städte, deren Einwohnerzahl abnimmt und in denen der Anteil Älterer zunimmt. Hier zeigt die Deutsche-Bank-Studie, dass in Problemregionen selbst deutlich steigende Einkommen den Wohnungsmarkt nicht beflügeln. Weil schrumpfende Städte in einem Teufelskreis stecken aus Abwanderung und Alterung, Preisverfall und relativ steigenden Kosten für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Selbst Baukosten für Modernisierung und Neubau scheinen dort höher auszufallen als in »normalen« strukturschwachen Gegenden. Aus Sicht internationaler Investoren sind daher wachsende ostdeutsche Kommunen attraktiv für ihr »Deutschlandportfolio«. Andere Städte dagegen interessieren nicht mal mehr die Zocker.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.