Welle der Erwartungen
Die neuen Nahostverhandlungen treffen auf eine Mischung von Skepsis und Optimismus
Gefangenenaustausche sind in Israel immer ein sensibles Thema. Wann immer sie auf der Tagesordnung stehen, brechen Debatten, oft auch heftig, über den Sinn, über Gerechtigkeit los. Doch selten zuvor war die Stimmung aufgeheizter als in diesen Tagen. Am Sonntag hat Israels Kabinett einer Liste zugestimmt, auf der die Namen von 26 Palästinensern stehen, die im Gegenzug für die Rückkehr der palästinensischen Regierung an den Verhandlungstisch freigelassen werden sollen. Und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der noch viel stärker ist als das, was die Mitarbeiter von Premier Benjamin Netanjahu erwartet hatten: Nahezu einhellig ist die Ablehnung.
Und das hat nicht vor allem damit zu tun, dass auf der Liste ausschließlich Namen von Leuten stehen, die Anfang der 90er Jahre Gewaltverbrechen an israelischen Zivilisten verübt haben - im Raum steht vor allem die Frage nach dem Sinn und Zweck des Ganzen.
Denn die Verhandlungen, die mit dem Beschluss am Laufen gehalten werden sollen, stehen knapp zwei Wochen nachdem sie in Washington begonnen haben, bereits wieder vor dem Zusammenbruch. Der Baustopp in den Siedlungen, zu dem sich Israel als Bedingung für die Wiederaufnahme der Gespräche bereit gefunden hatte, scheint schon wieder hinfällig, nachdem Israels Wohnungsbauministerium den Bau von 1178 Wohnungen in Ost-Jerusalem und in Ariel bekannt gegeben hat, einer Siedlung, die wie eine Halbinsel in das nördliche Westjordanland hineinreicht.
Dem Vernehmen nach war sowohl Palästinensern als auch US-Außenminister John Kerry vorab bekannt, dass die Ankündigung kommen wird. Es sei bereits vor Aufnahme der Verhandlungen vereinbart gewesen, dass Israel zusätzliche Wohnungen in Siedlungen baut, von denen allgemein angenommen wird, dass sie nach einem Abkommen zum Teil des israelischen Staatsgebietes werden - Ariel gehört dazu. Dass Wohnungsbauminister Uri Ariel von der Siedlerpartei HaBajit HaJehudi allerdings am Sonntag öffentlichkeitswirksam den Grundstein für eine neue Klein-Siedlung in Jerusalems Osten gelegt hat, wird von den Palästinensern als Affront gesehen. Man habe »langsam genug«, wie ein Mitarbeiter von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagt. »Wenn Israel so weitermacht, dann haben diese Verhandlungen keine Zukunft«, meint Saeb Erekat, einer der palästinensischen Unterhändler. »Es kann nicht sein, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, während wir verhandeln.« In Israel wird derweil immer wieder die Ansicht geäußert, dass die Gespräche, die Freilassung der Gefangenen für Netanjahu nichts als »reiner Selbstzweck« (so das Armeeradio) seien. »Solange er am Verhandlungstisch sitzt, sieht es so aus, als tue er etwas. Aber es wirkt nicht so, als plane er auch mit Ergebnissen.«
Viele der Angehörigen der Opfer äußern Verständnis für eine Freilassung der Täter, wenn dafür ein echter Friedensschluss in greifbare Nähe geriete. Und vor dem Hintergrund des Baubeschlusses werden stets Zweifel daran laut, dass ein solches Abkommen in Aussicht steht. Doch sowohl Mitarbeiter von Netanjahu als auch von Abbas sagen, dass es bei der Freilassung auch darum gehe, den stark angeschlagenen palästinensischen Präsidenten zu unterstützen, ihm einen vorzeigbaren Erfolg an die Hand zu geben. Der allerdings aktuell keine sichtbaren Effekte zeitigt. Abbas ist so unpopulär wie eh und je.
Deutschlands Außenminister mahnte derweil bei einem zweitägigen Besuch in Jerusalem, der von der »Bild«-Zeitung zur »Friedensmission« erklärt wurde, beide Seiten müssten einseitige Schritte unterlassen - eine Aussage, auf die Minister Ariel lapidar antwortete, in keinem Land der Erde dürfe ein anderer Staat einem vorschreiben, wo man bauen darf.
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