Hindernislauf in Jerusalem

Heute beginnen israelisch-palästinensische Friedensgespräche

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Schatten neuer israelischer Siedlungsbauprojekte sollen heute in Jerusalem direkte Nahostfriedensgespräche beginnen. Doch ist die Siedlungsfrage nicht die einzige Hürde.

US-Außenminister John Kerry versuchte sich am Vorabend der neuen Gesprächsrunde in der Quadratur des Kreises. Einerseits hatte er wie auch die UNO die von Israel am Wochenende öffentlich gemachten Pläne für Siedlungsprojekte im Süden und Nordosten des 1967 annektierten Teils von Jerusalem sowie in drei großen Siedlungsblöcken im besetzten Westjordanland heftig kritisiert. Es geht um 1187 Wohnungen, mit denen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wohl auch die rechten Mitglieder seines Kabinetts nach dem umstrittenen Beschluss zur Freilassung von 104 palästinensischen Häftlingen beruhigen will. Diese Bauaktivitäten seien »illegal«, hieß es bei der UNO. Die USA würden alle Siedlungen als unrechtmäßig ansehen, betonte Kerry. Zugleich bemühte sich Washingtons Chefdiplomat um eine Beruhigung der Lage: Die Ankündigung sei doch »zu einem gewissen Grad erwartbar« gewesen, sagte er jetzt während eines Kolumbien-Besuchs. »Und ich denke, die Palästinenser verstehen das.«

Wohl nicht, wie die scharfen Reaktionen zeigen. So drohe der Zusammenbruch der von den USA vermittelten Verhandlungen, sagte der hochrangige Palästinenservertreter Yasser Abed Rabbo gestern. Die radikalislamische Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, bezeichnete die Gespräche gleich ganz als »nutzlos«. Und kaum war Kerrys Appell verhallt, da bewilligte der Stadtrat von Jerusalem am Dienstag weitere 942 Wohnungen zum Ausbau der Großsiedlung Gilo an der südlichen Stadtgrenze. »Diese fürchterliche Entscheidung ist eine Provokation der Palästinenser, der Amerikaner und der ganzen Welt«, erklärte Vizebürgermeister Josef Pepe Alalu von der linksgerichteten Meretz-Partei. Auch die israelische Zeitung »Haaretz« kritisierte jetzt, Regierungschef Netanjahu führe Israel mit seiner Politik wissentlich auf ein politisches Minenfeld. Zumal der Siedlungsbau mit anderen Hürden auf dem steinigen Weg zum Frieden verbunden ist.

Die Palästinenser wollen ihren Staat in den 1967 besetzten Gebieten Westjordanland, Gazastreifen und Ost-Jerusalem errichten. Während sich Israel 2005 aus Gaza zurückgezogen hat, will es seine großen Siedlungsblöcke in der Westbank ebenso wenig aufgeben wie eine Militärpräsenz im Jordantal an der Grenze zu Jordanien. Dabei ist Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bereit zum Gebietsaustausch. Probleme bereiten auch die schwindenden Süßwasservorräte. Amnesty International wirft Israel vor, Palästinenser bei der Nutzung gemeinsamer Ressourcen zu benachteiligen - was zurückgewiesen wird.

Angesichts vieler Selbstmordanschläge und Hamas-Angriffe mit Kleinraketen will Israel einen Palästinenserstaat nur akzeptieren, wenn die Sicherheit des jüdischen garantiert sei. Man verweigert auch den von der UNO in den Palästinensergebieten sowie in Nachbarländern registrierten rund 5,3 Millionen Palästinensern die Rückkehr, darunter 4,9 Millionen Flüchtlinge in Folge der Kriege 1948/49 und 1967 sowie deren Nachkommen. Ein solches Rückkehrrecht würde die Juden in ihrem eigenen Staat zur Minderheit machen, so die Argumentation.

Besonders stark umstritten ist der künftige Status von Jerusalem, die Stadt mit heiligen Stätten von Juden, Muslimen wie Christen. Während Israel Jerusalem als »ewige und unteilbare« Hauptstadt beansprucht, sehen die Palästinenser den annektierten Ostteil als Hauptstadt ihres Staates. Dort befindet sich aber mit der Klagemauer der heiligste Ort der Juden. Insgesamt leben inzwischen 570 000 Siedler inmitten von etwa 3,1 Millionen Palästinensern. In Ostjerusalem verteilen sich davon etwa 203 000 Siedler auf knapp 30 Wohngebiete. Die UN-Statistik zählt z.Z. 138 von Israel offiziell anerkannte Siedlungen; dazu kommen 96 illegale Außenposten.

Zumindest gab es am Dienstag auch eine gute Nachricht für die heutigen Friedensgespräche: Israels Höchstes Gericht wies eine Klage von Terroropferfamilien gegen die geplante vorzeitige Entlassung von 26 palästinensischen Häftlingen ab, womit die erste Gruppe von insgesamt 104 Gefangenen in der Nacht zum Mittwoch freigelassen werden konnte.

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