Solidarität à la carte
Fabian Köhler über ein Massaker in Ägypten und das Schweigen der deutschen Linken
Wie war die Welt noch in Ordnung, als vor zwei Monaten Polizisten türkische Demonstranten niederknüppelten. Freilich nicht für jene, die im Gezi-Park um ihr Leben rannten, aber für deutsche Linke: Ein islamisch-autoritäres Regime hier. Säkulare Parkschützer da, irgendwo im Tränengas. Am Mittwoch wurde wieder ein Protestcamp geräumt. Doch anstatt sich zu Tausenden in Kreuzberg zu Solidemos zu treffen, schweigen deutsche Linke so laut, dass es fast das Maschinengewehrfeuer in Kairo übertönt.
Dabei hat das Massaker an ägyptischen Demonstranten eigentlich alles, was es für die Gunst westlicher Solidarität braucht: Protest gegen Militärputsch. Forderung nach Demokratie. Ein Ausmaß an Gewalt wie aus Militärdiktaturen. Scharfschützen schießen in die Menge, während Panzer die Fluchtwege versperren. Von Hubschraubern abgeworfen Tränengaskartuschen krachen auf Demonstranten. Über Hundert, vielleicht Tausende Menschen starben. Die meisten von ihnen sind Islamisten und friedliche Demonstranten.
Doch anstatt den Verlust an Menschenleben zu beklagen, wird in sicherer Entfernung relativiert: Entführungen auf dem Sinai. Kirchenverbrennung. Kopf ab und so. Das ist ungefähr so dämlich, als halte man den kemalistischen Parkschützern Militärputsch und den Mord an Kurden vor. Aus Solidarität mit Letzteren und den Toten in Kairo haben am Mittwochabend übrigens doch noch Linke zu einer Mahnwache aufgerufen - in Istanbul, nicht in Kreuzberg.
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