Orte der Stille

31.8.: Tag des Industriedenkmals

  • Ralph Grüneberger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Hüllen sind nicht gefallen. Nur das Innere ist verschwunden. Es wurde weggeräumt.

Die Arbeitsinnenleben auf der Kippe, beseitigt von eigens dafür gegründeten Trägergesellschaften für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Neun von zehn in Arbeitnehmer verwandelte Arbeiter mutierten zu Arbeitslosen: Kapitalismus in Reinkultur. Die light-Fassung nannte sich in der ersten Nachwendezeit Vorruhestand.

Großbetriebe, erbaut vor dem vorvorigen Jahrhundertwechsel, nach der Bombardierung Mitteldeutschlands aus den Trümmern gegraben, Flickwerk im Zuge der Reparation.

Irgendwie wurden sie doch in Gang gesetzt und gehalten und bis 1990 auf Verschleiß gefahren. Danach verloren sie ihr Humankapital. In den Büchern waren sie längst abgeschrieben. Heute stehen sie als Korpusse in verlassener Landschaft. Umgewidmet zu Lofts oder Großraumbüros werden sie von Art-Directors und solventen Bewohnern wieder belebt.

Auf Maix Mayers Fotografien sind es Ort der Stille und Orte des künftigen »Styles«. Der Fotograf vermittelt dem Betrachter ein Raum-Gefühl, das die Zeit gespeichert hat. Die Ästhetik des Verfalls wird ohne jedes Beiwerk in Szene gesetzt.

Ins Licht geraten die Bühnen der verlorenen Arbeitsplätze, zurückgeblieben ist ein Aus-Schlachtfeld, ein Terrain für Graffiteure: Wendewände, Türen - aus den Angeln gehoben, Glas - zu Bruch gegangen, Rohre - die ins Nichts führen. Eine Kulisse für die Tatort-Drehs der Fernsehunterhaltung. Mekka der Metalldiebe.

Das Interieur, auf das der Fotograf gestoßen ist, stammt aus den früheren Fünfjahr-Plänen der DDR-Wirtschaft: ein Zeitmesser, ein Tisch, eine Krankanzel, ein Fahrerhaus, eine Waage, ein Deckenventilator.

Motive wie sie als Rudimente bei bildenden Künstlern wie Tim Eitel, Johannes Rochhausen und Almut Zielonka zu finden sind. Gefallen fand der Fotograf dabei an den Ver-Botschaften, die auf die einstige Bestimmung der Räume schließen lassen wie »Rauchen streng untersagt!« oder »Zutritt verboten«.

Weitsichtiger hingegen ist eine Losung aus der Zeit der Mangelware, die in der heutigen Zeit der Massenware erst recht beherzigt werden sollte: »Besser der Kunde kommt wieder und nicht die Ware.« Ein Hinweis in drei europäischen Sprachen.

Danke Maix Mayer für die Expedition zu den Bühnen der Vollbeschäftigung, als der Arbeiter noch seinen festen Platz an der Werkbank, in der Kantine und unter der Dusche hatte und der Achtdreiviertelstundentag den Partei-Arbeitern noch zur Verklärung der Wirklichkeit diente.

Maix Maier: Die vergessenen Orte der Arbeit. Mit Texten von Emilia Thalheim. Herausgegeben von Olaf Jacobs. Mitteldeutscher Verlag. 160 S, geb., 24,95 €.

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