Portugiesische Sparpläne gekippt
Verfassungsgericht hat verdeckte Entlassung von Beamten abgelehnt
Nach Ansicht der Richter verstoßen einige Artikel des Gesetzes gegen die »garantierte Sicherheit des Arbeitsplatzes« von Beamten. Gerichtspräsident Joaquim Sousa Ribeiro kritisierte am Donnerstag auch, dass der »Grundsatz der Verhältnismäßigkeit« missachtet worden sei.
Die Richter sehen hinter dem Gesetz - vor allem richtete es sich gegen Lehrer - einen Versuch, Staatsbedienstete zu entlassen. Die Regierung von Pedro Passos Coelho wollte nach eigenen Angaben die »Mobilität« fördern, die Beamten von ihren Stellen entkoppeln und sie zu »Umschulungsmaßnahmen« verpflichten. Geplant war, dass die Betroffenen im ersten halben Jahr nur noch 63 Prozent ihrer Bezüge und für weitere sechs Monate nur noch 50 Prozent bekommen sollten.
Der Trick lag darin, dass die Betroffenen nach diesen zwölf Monaten nur noch unbezahlt auf einen Einsatz warten sollten. Sie könnten aber auch auf ihren Beamtenstatus verzichten - nur dann hätten sie Arbeitslosengeld erhalten. So sollten in den kommenden drei Jahren knapp 900 Millionen Euro gespart werden. In einer klaren Sprache benannten die höchsten Richter »aggressive« Effekte eines unpräzise formulierten Gesetzes. Für die Konservativen, die es am 29. Juli mit ihrer absoluten Mehrheit verabschiedet hatten, handelte es sich um einen zentralen Pfeiler ihrer Staatsreform. Sie sprechen auch von einem »Rückschlag« bei der »Konsolidierung des Haushalts«.
Coelhos Regierung versucht im Rahmen der Milliardenhilfe, die Sparauflagen der Troika von Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) zu erfüllen. Schon im Frühjahr hatten die Verfassungsrichter der Regierung ein »Suchtverhalten« bei Verfassungsverstößen vorgeworfen.
»Die Gesetze und der Haushalt müssen sich an die Verfassung anpassen und nicht die Verfassung an den Haushalt«, sagte Ribeiro damals. Gekippt wurden der zweite Versuch einer Rentenkürzung und die Besteuerung von Arbeitslosen- und Krankengeld, womit eine Lücke von 1,3 Milliarden im Haushalt klaffte.
Das nun gekippte Gesetz hatte Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva den Richtern zur Prüfung vorgelegt. Allerdings hat der Konservative ein anderes Gesetz der Regierung am Mittwoch unterzeichnet. Es sieht die Anhebung der Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst von 35 auf 40 Stunden vor. Es soll in einem Monat in Kraft treten und darüber sollen Stellen eingespart werden. Die Gewerkschaften und die linke Opposition wollen nun ihrerseits vor das Verfassungsgericht ziehen.
Nach ihrer Ansicht verstößt das Vorhaben gegen den Verfassungsgrundsatz, dass Arbeit entlohnt werden muss. Für die tägliche Stunde Mehrarbeit ist aber kein Lohnausgleich vorgesehen. Im September werden Proteste stattfinden, die sich auch gegen neue Rentenkürzungen richten. Ana Avoila, Koordinatorin der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, hat das Urteil der Verfassungsrichter am Freitag begrüßt und der Regierung vorgeworfen, »an ihrem illegalen Vorgehen festzuhalten«. Sie forderte Beschäftigte und Rentner auf, sich an Protesten zu beteiligen.
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