Kollaborateur der Nazis vor Gericht
Prozess wegen Mordes an Widerstandskämpfer
Hagen (epd/nd). Am Montag hat in Hagen einer der wahrscheinlich letzten NS-Verbrecherprozesse begonnen. Der 92-jährige Siert Bruins aus dem westfälischen Breckerfeld muss sich wegen Mordes an einem niederländischen Widerstandskämpfer im September 1944 verantworten. Er soll als Angehöriger des Sicherheitsdienstes der Nazis im niederländischen Delfzijl gemeinsam mit einem Mittäter Aldert Klaas Dijkema hinterrücks erschossen haben.
Der gebürtige Niederländer Bruins bestreitet die Tat und behauptet, sein inzwischen gestorbener deutscher Vorgesetzter habe geschossen. Zum Prozessauftakt wurde die Anklageschrift verlesen. Bruins kündigte in der rund 45-minütigen Verhandlung an, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Auch zu seinem Lebenslauf wollte er nach Angaben eines Gerichtssprechers keine Angaben machen.
Ein medizinischer Sachverständiger bestätigte, dass der Angeklagte bis zu drei Stunden pro Tag verhandlungsfähig ist. Für den Prozess vor dem Landgericht Hagen sind zunächst zehn weitere Verhandlungstage angesetzt. Als Nebenklägerin tritt die Schwester des Getöteten auf. Bereits 1949 war Bruins von einem niederländischen Sondergerichtshof wegen drei Erschießungen zum Tode verurteilt worden. Später wurde das Urteil in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt.
Nachdem Bruins jahrzehntelang am Rand des Ruhrgebiets gelebt hatte, spürte ihn der Nazi-Jäger Simon Wiesenthal dort 1978 auf. Seinen Namen hatte er geändert. Das Oberlandesgericht Hamm lehnte seine Auslieferung an die Niederlande seinerzeit ab, weil er seit 1943 Deutscher sei. Grundlage für den Erhalt der Staatsbürgerschaft während der deutschen Besatzung der Niederlande war ein Erlass Hitlers.
Das Landgericht Hagen verurteilte Bruins jedoch 1980 wegen Beihilfe zum Mord an zwei Juden im April 1945 - ebenfalls in Delfzijl - zu sieben Jahren Gefängnis, von denen er fünf verbüßte. Das Ermittlungsverfahren wegen des Todes von Dijkema wurde eingestellt, weil die Anklage lediglich auf Totschlag lautete, der jedoch bereits verjährt war. Nun wird neu verhandelt, weil die Staatsanwaltschaft inzwischen von Mord ausgeht, der nicht verjährt.
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