Rot-grüne Träume geplatzt
SPD ist nach schwachem Wahlergebnis offen für Große Koalition
Um 18 Uhr brandete bei der Verkündung der Prognose zur Bundestagswahl im Berliner Willy-Brandt-Haus nur einmal Jubel auf. Als die FDP unter fünf Prozent lag, lachten und klatschten die dicht gedrängt stehenden Genossen. Ihr eigenes schwaches Ergebnis wurde mit Schweigen quittiert. Eine junge Frau fluchte leise und nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Bierbecher. Knapp 26 Prozent wären nach der heftigen Wahlschlappe von 2009 das zweitschlechteste Bundestagswahlergebnis der Sozialdemokraten. Doch unter diesen Umständen könnte der SPD nach vier Jahren in der Opposition sogar wieder der Sprung in die Bundesregierung gelingen.
Intern hatte sich die Führung der SPD schon auf eine Große Koalition eingestellt. Aber innerhalb der Basis gibt es große Bedenken gegen Schwarz-Rot. Der Berliner Juso-Chef Kevin Kühnert äußerte sich im Gespräch mit »nd« hierzu skeptisch. Er forderte seine Partei sowie LINKE und Grüne stattdessen auf, sich künftig auf Dreierbündnisse einzustellen. Dass die SPD wieder Stimmen hinzugewonnen hat, bewertete Kühnert als »Stabilisierung auf bescheidenem Niveau«. Der Kurswechsel der SPD sei von den Wählern belohnt worden.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann freute sich ebenfalls über die knapp drei Prozent, die die SPD im Vergleich zur letzten Wahl hinzugewonnen hat. In der Parteienrunde der ARD räumte er aber auch ein: »Wir haben mehr erwartet, und wir konnten auch mehr erwarten. Denn die SPD hat stark gekämpft.«
Parteichef Sigmar Gabriel schien die Wahrheit so kurz nach der Wahl noch nicht recht wahrhaben zu wollen. »Wir sind faire Wettbewerber im politischen Geschäft«, sagte er. Deshalb gratuliere man dem Wahlsieger CDU und Frau Merkel. Doch in den letzten Monaten, so hob Gabriel hervor, habe die SPD »wirklich Unglaubliches geleistet«.
Der gescheiterte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schloss sich dem an und lobte den »richtigen und sehr guten Wahlkampf«. Man werde jetzt nicht über Regierungsbeteiligungen spekulieren. »Der Ball liegt bei Frau Merkel«, sagte Steinbrück. Sie müsse sich nun einen Verbündeten suchen.
Auch bei der Wahlparty der Grünen war die Stimmung gedämpft. Ein Raunen ging durch die Menge, als auf den Bildschirmen der Balken der Grünen erschien. Die Partei landete in der Hochrechnung von Infratest dimap nur bei 8,3 Prozent. Das bedeutet einen Stimmenverlust von etwa 2,4 Prozentpunkten im Vergleich zu 2009. Erschrecken machte sich breit, als klar wurde, dass die rechten Euro-Gegner der »Alternative für Deutschland« an der Schwelle zum Einzug ins Parlament stehen. Mit »Nazis raus«-Rufen machten sich einige Grüne Luft.
Erklärungen für das eigene Ergebnis waren zunächst nicht parat. Die Anhänger standen in kleinen Diskussionsrunden zusammen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann kommentierte in der ARD schonungslos das Ergebnis: »Das war eine heftige Niederlage.« Ob nun Schwarz-Grün realistisch sei, wollte er nicht erörtern. »Das Heft des Handelns liegt bei der Bundeskanzlerin«, sagte der Grünen-Politiker.
Das Spitzenkandidatenduo Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin reagierte ernüchtert auf das Ergebnis. »Wir haben unsere Ziele nicht erreicht«, räumte Göring-Eckardt ein. Die Grünen hatten auf ein Bündnis mit der SPD gehofft. Unter dem Strich erwies sich der Song der Band »Wir sind Helden«, der als Aufwärmmusik im Saal ertönte, womöglich als bittere Vorhersage: Wir sind gekommen, um zu bleiben - in der Opposition.
In den kommenden Tagen werden SPD und Grüne ihr schwaches Abschneiden bei der Bundestagswahl debattieren. Am Freitag planen die Sozialdemokraten einen Konvent. Die Delegierten der Grünen werden einen Tag später bei einem sogenannten Länderrat zusammenkommen.
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