Umverteilung in Gefahr
Eine Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zur Steuerpolitik kommt für die Partei zur Unzeit
So ein Wahlkampfprogramm hat seine Tücken. Vor allem nach dem Urnengang müssen sich die Parteien an ihren dort festgeschriebenen Versprechen messen lassen. Auch die SPD. »Wir wollen zukünftig Bezieher hoher Einkommen und Vermögende stärker zur Finanzierung unseres Gemeinwesens heranziehen«, heißt es im »Regierungsprogramm« der Sozialdemokraten. Auf Seite 66 wird man dort noch konkreter: »Dazu wollen wir den Spitzensteuersatz von 42 bzw. 45 Prozent auf 49 Prozent für zu versteuernde Einkommen ab 100 000 Euro bzw. 200 000 Euro bei Eheleuten erhöhen.« Zudem findet sich der wenig missverständliche Satz: »Wir werden die Vermögensteuer auf ein angemessenes Niveau heben.«
Doch leider sind Steuererhöhungen für Reiche mit der Union nicht zu machen. Das zeigte sich in den ersten Sondierungsgesprächen zwischen SPD und Union am vergangenen Freitag. CSU-Chef Horst Seehofer stellte im Anschluss an die Unterredungen noch einmal klar, dass es mit ihm »keine Steuererhöhungen« geben werde.
Nach den Gesprächen mit der Union rudern führende Sozialdemokraten bereits zurück. Parteichef Sigmar Gabriel betonte gegenüber der »Bild am Sonntag«: »Für uns sind Steuererhöhungen kein Selbstzweck. Wenn CDU/CSU das nicht wollen, müssen sie erklären, welche Alternativen es dann zur Finanzierung dieser Aufgaben gibt.«
Schleswig-Holsteins Regierungschef Torsten Albig sekundierte seinem Vorsitzenden und sagte dem »Focus«, dass es für die SPD viel entscheidender sei, ob genug Geld in Dinge wie Infrastruktur und Bildung investiert werde. Sprich: Solange die Union verspricht, mehr Geld in Unis und Straßen zu stecken, können die Reichen ruhig reicher werden.
Da kommt die aktuelle Untersuchung der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung zur Unzeit. Die beiden Autoren René Bormann und Andreas Kammer unterstreichen, dass »nur eine Steigerung der progressiven Struktur in der Einkommens-, Abgeltungs- und Erbschaftsteuer« die Zukunft des Wohlfahrtsstaates sichern könnten. Zudem plädieren die beiden Wissenschaftler für die »Einführung einer Vermögenssteuer«.
In ihrer Untersuchung beklagen die Autoren die »sinkende Umverteilungsleistung der Einkommenssteuer durch sinkende Steuersätze«. Dabei sei die Steuer die »bestmögliche Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips und spielt eine besondere Rolle für die Steuergerechtigkeit«. Mit Rücksicht auf die ihrer Stiftung nahestehende SPD lassen die Autoren unerwähnt, dass es die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder war, die den Spitzensteuersatz einst von 53 auf 42 Prozent absenkte. Hingegen bemängeln sie, dass die die Einkommen aus Kapitalerträgen immer noch niedriger besteuert würden als die persönlichen Einkommen.
Die Autoren verweisen auf Analysen der OECD, wonach »das Aufkommen der Vermögenssteuer in Höhe von 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (...) in Deutschland einen im internationalen Vergleich besonders niedrigen Wert erreicht«. Dies sei vor allem auf die Aussetzung der Vermögenssteuer im Jahre 1997 zurückzuführen.
Hinzu komme, dass die Verteilungswirkung der heute wichtigsten vermögensbezogenen Steuer, der Grundsteuer, regressiv ausfalle, »weil sie auf Mieter abgewälzt werden kann«. Im Klartext heißt das: Grundsteuer zahlen eigentlich die Mieter, nicht die Immobilienbesitzer.
Besonders kritisch sehen die beiden Wissenschaftler auch die Wirkungen der Mehrwertsteuer, die zuletzt unter Beteiligung der SPD angehoben wurde. Sie untergrabe »die positiven Umverteilungseffekte des gesamten Steuersystems«. Denn egal ob Millionär oder Hartz-IV-Bezieher: Beide zahlen denselben Mehrwertsteuersatz. Je nach Konsumgut entweder 19 oder sieben Prozent.
Das Resümee der beiden Autoren sollte der SPD eigentlich Rückendeckung für die Verhandlungen mit der Union geben. So zeige sich, »dass vermögensbezogene Steuern in Deutschland im internationalen Vergleich schwach ausgeprägt sind«. Hier sei der »Trend zu einer sinkenden Umverteilungsleistung der Steuerpolitik zu erkennen«.
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