Warten aufs Dämmern

In nächtlichen Runden sitzen Unbekannte ständig mit am Koalitionssondierungstisch

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch dauert sie an, die nach dem Wahlkampf seltsam blutleer anmutende Phase des gegenseitigen Abtastens der Parteien. Erbitterte Kontrahenten feilschen um die Aussteuer für eine Koalition.

Am Dienstagabend traten die Unterhändler von Union und Grünen zu ihrer zweiten Koalitionssondierung zusammen, um die Chancen einer Zusammenarbeit in der nächsten Bundesregierung zu prüfen. Sie scheinen derweil zu schwinden. Trotz gegenseitiger Versicherungen, es habe sich um ernsthafte und freundliche Gespräche gehandelt, hatten die Grünen bereits nach ihrem ersten Treffen mit der Union am letzten Donnerstag deutliche Zweifel geäußert, dass es nach dieser Bundestagswahl für mehr reicht als ein Schnuppern, wie es wohl röche in einer schwarz-grünen Gerichteküche.

Zwar mit leichtem Bedauern, aber unzweideutig äußerten sich bereits vor dem gestrigen Treffen auch prominente Vertreter des rechten Flügels der Grünen wie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ablehnend zu einer Koalition. Ihre Begründung: Die eigene Partei wäre dem überraschend sich bietenden Experiment wegen des Mangels an ernsthafter Vorbereitung und wegen der bislang einseitigen Fixierung auf die SPD derzeit wohl nicht gewachsen.

Am Montag bereits hatten sich die 21 Vertreter von Union und SPD zu später Stunde getrennt. Ebenfalls ohne klare Absichtserklärung, aber doch mit den besseren Aussichten auf Koalitionsverhandlungen. Acht Stunden Sondierung hatten die Verabredung zu einer dritten Runde ergeben, die nun am Donnerstag zusammentritt.

Die Rituale im Anschluss glichen dem Ablauf nach der ersten. Rückzug auf Banalitäten: Gemeinsam wurde festgestellt, dass es Schnittmengen gebe. Und dass es, zweitens, aber auch Unterschiede gebe. Im Verwirrspiel um Gemeinsamkeiten und Unterschiede gilt es die scheinbaren Unversöhnlichkeiten herauszufinden; sie sind es, um die sich die eigentlichen Probleme ranken.

In einer Telefonkonferenz hatte Parteichef Sigmar Gabriel am Dienstagmorgen Berichten zufolge alle Andeutungen vermieden, die auf einen Trend hätten schließen lassen. Interessant könnte daher sein, dass unter den festgestellten Schnittmengen angeblich so existenzielle Streitthemen wie der Mindestlohn, die von der SPD angestrebte Solidarrente oder sogar das Betreuungsgeld auftauchen, die als Flaggen der Alleinstellung im Wahlkampf gehisst worden waren, aber nun irgendwie gegeneinander abgewogen werden, ohne dass ihre Urheber davon irgendeinen Schaden zu befürchten scheinen. Dagegen wird die von SPD und Grünen geforderte Steuerbelastung für Reiche nun angeblich unter ferner liefen abgehandelt, als brauchte es nur eine kleine Umgehungsstraße zur Finanzierung der gewünschten Lieblingsprojekte in der Bildung, und schon wäre alles geritzt. Hier, so darf man annehmen, lauert das Problem, das die Gesprächspartner eigentlich miteinander haben. Dabei hätte auch die Union ein Entgegenkommen nötig - etwa zur Finanzierung der Rente, mit der sie die Mütter von vor 1992 geborenen Kindern belohnen will.

Alle Beteiligten wissen zugleich, dass es reale Zugeständnisse geben muss, soll ein Kompromiss der Delegationen auch von der SPD-Mitgliedschaft durchgewinkt werden. Für Sigmar Gabriel geht es dabei wohl um noch mehr. Er ist zum Erfolg verdammt, will er nicht die eigenen Perspektiven an der Parteispitze riskieren. Nicht ganz so schwierig ist die Lage in der Union, aber einfach ist auch sie nicht. CSU-Chef Horst Seehofer hat mehrfach deutlich gemacht, dass ein so klarer Wahlsieger wie die Union in Koalitionsverhandlungen nicht zu Kreuze kriechen darf, will er sich bei den Wählern nicht unmöglich machen.

Und die Grünen? Anders als offenbar Kretschmann haben sich dort noch nicht alle mit dem Kurs auf Opposition und Neuorientierung auf Bündnisse über Rot-Grün hinaus abgefunden. Sylvia Löhrmann, stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, machte sich zur Fürsprecherin einer rot-rot-grünen Sondierung. Zu dieser müsste aber die SPD einladen, wie die Grünen immer wieder deutlich machen. Für einen solchen Schritt brauchte es aber mehr als Löhrmanns Fürsprache. Es brauchte den Druck der SPD-Basis. Am Wochenende haben beide - SPD und Grüne - Parteitage einberufen, auf denen die Entscheidungen fallen müssen. So oder so.

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