Ratingagentur macht Druck im US-Finanzstreit
Fitch nimmt USA »unter Beobachtung« / Weiterhin keine Einigung in Sicht / McCain: »Republikaner haben diese Schlacht verloren«
Washington. Im US-Finanzstreit droht die Zeit abzulaufen. Regierung und Opposition konnten sich auch am Dienstag nicht auf eine Erhöhung des Schuldenlimits einigen. Die Republikaner sagten eine für Dienstagabend geplante Abstimmung im Abgeordnetenhaus überraschend ab. Die Hoffnungen, dass sich beide Seiten doch noch bis zum 17. Oktober einigen, scheinen zu schwinden.
Die Ratingagentur Fitch drohte derweil den USA mit dem Verlust ihres Spitzenratings. Die Agentur setzte das begehrte »AAA« oder »Triple-A« unter Beobachtung, wie sie am Dienstag mitteilte. Die Aktienkurse und der Dollar gerieten daraufhin nach Börsenschluss in New York leicht unter Druck. Die Reaktion der Ratingagentur kommt nicht überraschend. Bereits nach einem ähnlichen Schuldenstreit im Sommer 2011 hatte die Ratingagentur Standard & Poor's die Bonität der USA zurückgestuft - obwohl sich der Kongress damals in letzter Minute einigen konnte.
Sollte es das Schuldenlimit nicht angehoben werden, droht der Regierung nach Angaben von Finanzminister Jack Lew bereits am Donnerstag das Geld ausgehen. Dann könnten die Ausgaben die laufenden Einnahmen übersteigen. »Es ist sehr, sehr ernst«, zitierte die »New York Times« den einflussreichen republikanischen Senator John McCain. »Die Republikaner müssen verstehen, dass wir diese Schlacht verloren haben.«
Wie die Streithähne aus dem Dilemma herauskommen können, war am Dienstagabend völlig unklar. Letzte Hoffnungen liegen jetzt wieder beim Senat, hieß es. Dort könnten sich moderate Kräfte beider Lager nochmals auf eine Lösungssuche machen. Möglicherweise könnte erst Freitag oder gar Samstag abgestimmt werden, schreibt die »New York Times«. Entscheidend sei, dass es zuvor eine Einigung gebe - um die Märkte zu beruhigen. Auch bei früheren Finanzstreits war erst nach Ablauf der Frist eine endgültige Lösung gefunden worden.
»Das war ein absolut verlorener Tag in Washington«, meinte eine Kongressreporterin des TV-Senders CNN am Dienstagabend. Zwar konnten sich zuvor Demokraten und Republikaner im Senat darauf einigen, das Schuldenlimit zumindest vorübergehend bis zum 7. Februar anzuheben. Doch wenig später beharrten die Republikaner im Abgeordnetenhaus darauf, ihre Zustimmung von Änderungen an der umstrittenen Gesundheitsreform (»Obamacare«) abhängig zu machen. Das lehnt Präsident Barack Obama kategorisch ab. Die Gesundheitsreform ist sein wichtigstes Sozialgesetz.
Zudem sind die USA seit dem 1. Oktober ohne einen Staatshaushalt. Hunderttausende Beamte der Bundesverwaltung sind in Zwangsurlaub, viele Ämter geschlossen. Auch hier ist noch keine Lösung gefunden. Sollte bis zum Stichtag 17. Oktober die Schuldengrenze von 16,7 Billionen Dollar nicht erhöht werden, gehen der USA das Geld aus. Die Behörde sagte nicht genau, ob damit 17. Oktober um Mitternacht oder um 23.59 Uhr gemeint ist. Doch laut Finanzminister Jack Lew haben die USA dann nur noch rund 30 Milliarden Dollar. »Dieser Betrag würde bedeutend niedriger als die Nettoausgaben an bestimmten Tagen sein, die zu 60 Milliarden Dollar betragen können«, schrieb er unlängst in einem Brief an den Kongress.
»Wir haben dann nur noch Cash-Einnahmen«, warnte Präsidentensprecher Jay Carney. Das wäre ein historisch beispielloser Vorgang. »Wir bewegen uns dann auf einem Gebiet, auf dem wir zuvor niemals waren.« Experten fürchten in einem solchen Fall schwere Verwerfungen auf den Weltfinanzmärkten.
Allerdings meinte auch John Boehner, Anführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, dass es nicht zu einem Zahlungsausfall kommen dürfe. »Wir versuchen, einen Weg mit beiden Seiten zu finden. (...) Es gibt viele Optionen«. Einzelheiten teilte er aber nicht mit.
Boehner steht vor allem unter dem Druck der populistischen Tea-Party-Bewegung. Ihr gehören rund 50 Abgeordnete an, die sich dem kompromisslosen Kampf gegen »Obamacare« verschrieben haben. Ein harter Kern der Tea-Party-Fraktion sei auch bereit, eine Zahlungsunfähigkeit zu riskieren, heißt es in Washington.
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