Narben in der Umwelt

Der derzeitige Öl- und Gasboom hat negative Folgen

  • Hanno Böck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Förderung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen boomt - vor allem in den USA. Doch kritische Experten meinen, dass dies nur wenige Jahre anhalten wird.

»Peak Oil hat sich in die ferne Zukunft verlegt«, meint Christopher Frei, Generalsekretär des Weltenergierates. Der Grund, aus dem nach Ansicht dieses Gremiums von Energieexperten aus aller Welt die befürchtete Knappheit zumindest für die nächsten Jahre ausbleiben wird, ist vor allem die stark ansteigende Förderung in den USA. Diese ist auf den Einsatz der umstrittenen Fracking-Technologie sowie den Abbau von Schiefergas und Schieferöl zurückzuführen. Manche prognostizieren bereits, dass die USA in den kommenden Jahren wieder zum Ölexporteur werden könnten.

Eine deutlich andere Einschätzung der Lage haben Fachleute der Association for the Study of Peak Oil and Gas (ASPO). Die deutsche Sektion veranstaltete dazu am Montag in Berlin gemeinsam mit der Evangelischen Akademie eine Tagung zur Frage der Förderung dieser unkonventionellen Öl- und Gasvorkommen. Bei Schiefergas gehe die Förderung in den USA bereits wieder zurück, erklärte Werner Zittel, Vizevorsitzender von ASPO Deutschland, nur in einem Gebiet gebe es weiterhin einen Anstieg. »Ich erwarte, dass in den nächsten Jahren insgesamt die Förderung zurückgeht«, sagte der Physiker. »Was bleiben wird, sind die Narben in der Umwelt.«

Denn der Schiefergasboom in den USA bleibt nicht ohne Folgen. Anders als bei konventionellen Bohrungen werden zur Ausbeute sehr viele Bohrlöcher benötigt. Zittel zeigte dem Publikum Luftbilder aus den Erdgasregionen, die von Bohrplätzen und den dazugehörigen Zufahrtswegen gezeichnet sind. »Ein einzelner Bohrplatz hat etwa die Größe eines Fußballplatzes«, so Zittel. In den Schiefergasregionen werden Tausende von Bohrlöchern angebracht.

Schiefergas und Fracking sind auch in Deutschland ein Thema, wenngleich niemand davon ausgeht, dass hier ein ähnlicher Boom wie in den USA möglich ist. Olaf Martins, Leiter der Abteilung Government Relations von ExxonMobil Zentraleuropa, warb auf der Tagung dafür, auch in Deutschland Schiefergas zu fördern. Der Anteil einheimischen Erdgases in Deutschland könne von aktuell etwa 12 Prozent auf bis zu 20 Prozent steigen. Doch es gibt heftige Widerstände gegen die Gasförderung. Zur Zeit existiert hierzulande ein Moratorium für derartige Projekte.

Bei der Fracking-Technologie kommt weltweit in anderen Bergbaubereichen schon lange zum Einsatz. Im Unterschied dazu muss sie bei der Schiefergasförderung in großem Stil angewendet werden. Hierbei wird ein Gemisch aus Chemikalien, Wasser und Sand unter hohem Druck in Bohrlöcher eingebracht, um Gesteinsschichten aufzubrechen. Das hat in den USA dazu geführt, dass an vielen Standorten giftige Chemikalien ins Grundwasser gelangten.

Auch klimapolitisch können die ASPO-Fachleute dem Schiefergasboom wenig abgewinnen. In den USA hat dieser dazu geführt, dass deutlich mehr Steinkohle nicht benötigt und daher exportiert wird, was die Preise dieses besonders klimaschädlichen Energieträgers sinken lässt, erklärte der Ökonom Jörg Schindler. »Auch gibt es noch viel Unklarheit über die Klimabilanz von Schiefergas. Einige Studien gehen davon aus, dass die noch schlechter als die von Kohle ist.« Der Grund: Bei der Gasförderung entweicht besonders viel Methan. Und dieses ist ein hochwirksames Treibhausgas.

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