Gesucht: Elf Milliarden für Investitionen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist marode und chronisch unterfinanziert. Darin sind sich Union und SPD einig - sie wollen mehr Geld ausgeben. Doch woher soll dieses kommen?

Peter Ramsauer spricht von einem »Sanierungsstau« und enormem Nachholbedarf. Dem wahrscheinlich scheidenden CSU-Bundesverkehrsminister standen pro Jahr für Ausbau und Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserwegen rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Allein für den Erhalt der Infrastruktur fehlen jedoch jährlich 7,2 Milliarden Euro. Zu diesem Schluss kam eine Kommission um Karl-Heinz Daehre (CDU), früherer Verkehrsminister Sachsen-Anhalts.

Nach Informationen von »Focus online« haben Union und SPD in ihren bisherigen Sondierungen einen Investitionsbedarf von elf Milliarden Euro festgestellt. Doch woher soll das viele Geld kommen? Schuldenbremse und der sich abzeichnende Verzicht auf Steuererhöhungen begrenzen die Möglichkeiten der öffentlichen Hand. CSU-Chef Horst Seehofer fordert bekanntlich eine Pkw-Maut für Ausländer, die bei den Verhandlungspartnern bislang aber eher auf Ablehnung stößt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gibt sich jedoch optimistisch und erklärte am Mittwoch, man sei sich »im Grundsatz darüber einig, dass zur Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland auch die ausländischen Autofahrer herangezogen werden sollen«. Diesen Grundsatz könnte man »wahrscheinlich relativ bald jetzt gemeinsam mit der SPD festlegen«. Dies steht aber in den Sternen, zumal Juristen eine Ausländer-Pkw-Maut für schwer vereinbar mit europäischem Recht halten.

Ob Straße, Schleuse oder Schiene

Hoch im Norden stockt der Verkehr auf der Autobahn A7. Grund ist die Rader Hochbrücke bei Rendsburg: Sie ist seit Juli für Lastwagen gesperrt, weil nach einer Sicherheitsüberprüfung die Standpfeiler saniert werden müssen. Bereits seit dem letzten Winter ist die marode Rheinbrücke Leverkusen teilgesperrt. Allein in Nordrhein-Westfalen ergaben Berechnungen der Statik von 152 Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen, dass 71 Brücken komplett erneuert werden müssten.

Auch viele Kreisstraßen im Schwarzwälder Wiesental sind Rumpelpisten; und selbst die reiche Metropole Hamburg schafft es nicht, Bürgersteige und Fahrradwege einigermaßen instand zu halten. Bei anderen Verkehrsträgern sieht es nicht besser aus: Die Schleusen im Nord-Ostsee-Kanal - der meist befahrenen Wasserstraße weltweit - und die Schleuse Fürstenwalde/Spree bedürfen der Erneuerung. Das sommerliche Stellwerk-Chaos im Mainzer Hauptbahnhof machte die Überalterung der Bahntechnik im ganzen Land deutlich. Zudem wünschen Kommunen, Landes- und Bundespolitiker den Aus- und Neubau von Ortsumgehungen, Schienensträngen und Binnenwasserwegen. Sanierungen und Neubauten sollten umweltverträglich erfolgen. Darüber besteht Einvernehmen in der Gesellschaft, es kostet aber zusätzlich. hape

 

Ein anderer Weg wäre die Ausweitung der Lkw-Maut. Eine weitere Kommission, geleitet von Ex-Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) plädierte kürzlich, diese künftig auch auf Bundesstraßen und für kleinere Lastwagen zu erheben. Schon »eine Ausweitung auf alle Bundesstraßen erbringt 2,3 Milliarden Euro«, heißt es in dem Papier.

Das wäre aber noch viel zu wenig. Wieder höher im Kurs der neuen Regierung steigen könnten daher Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP). Schon das bisherige Autobahnmautsystem Toll Collect ist ein ÖPP. Und bislang sind erst rund ein Dutzend Teilstücke von Autobahnen privatisiert und gerade mal fünf Projekte für Kommunal- und Landesstraßen in Vorbereitung. Die in der ÖPP Deutschland AG versammelten Lobbyisten aus Politik, Bauwirtschaft, Banken und Anwaltskanzleien trommeln schon für weitere Projekte. Allerdings haben selbst Befürworter inzwischen eingesehen, dass durch ÖPP die Finanzierungslasten für die öffentlichen Haushalte oft nur nach hinten verschoben werden.

Derweil sieht sich die Schweiz nach Auffassung des Bundesamtes für Verkehr in Bern auf dem Weg zur »fortschrittlichsten Infrastrukturfinanzierung europaweit«. In einem Bahninfrastrukturfonds sollen alle Einnahmequellen zunächst bis 2025 gebündelt werden: Bund und Kantone erhöhen ihre Beiträge, indem sie Steuernachlässe für Pendler einschränken; die Trassenpreise für die Bahn steigen und die Nutzer tragen einen Teil der Kosten durch höhere Fahrschein- und Abo-Preise. Im Februar 2014 werden die Eidgenossen über das Fondsmodell abstimmen.

Auf eine solche Lösung setzt der Leipziger Volkswirt Erik Gawel. Eine Große Koalition in Berlin böte ein »Gelegenheitsfenster«, um Widerstände aufzulösen, schreibt er im Fachblatt »Wirtschaftsdienst«. Der Charme einer Fondslösung liegt in seiner Langfristigkeit - ein Fonds hängt nicht am alle Jahre wieder neu zu verhandelnden Bundeshaushalt und muss sich auch um kurzsichtigen Länderproporz kaum kümmern. Die Ziele würden weiterhin von Regierungen und Abgeordneten bestimmt.

Sabine Leidig, Verkehrspolitikerin der LINKEN im Bundestag, sieht in einem Fonds durchaus die Chance zu mehr Nachhaltigkeit. Allerdings sei ausschlaggebend, »wie Entscheidungen zustande kommen«, ob maßgeblich durch die Bau- und Autolobby oder durch Volksentscheide wie in der Schweiz. Leidig hält eine modernisierte Mineralölsteuer und vor allem die Ausdehnung der Lkw-Maut für einen gangbaren Weg der Finanzierung. Allerdings sollten auch teure »Fehlinvestitionen« wie Stuttgart 21, die ICE-Rennstrecke Köln-Frankfurt oder der Regionalflughafen Kassel zukünftig vermieden werden.

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