Berlusconi sorgt sich um die Nachfolge
Italiens ehemaliger Regierungschef will Tochter Marina als Parteichefin installieren
Der politische Stern Silvio Berlusconis flackert beträchtlich. Er und seine Anwälte versuchen zwar alles, um das Erlöschen so lange wie möglich hinauszuzögern und ihm trotz Verurteilungen für Straftaten weiter zu ermöglichen, seine Partei Volk der Freiheit (PdL) und sein Imperium zu leiten und die italienische Politik mitzubestimmen. Nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs droht ihm weiterhin der Entzug seines Senatorenmandats, worüber die Kammer noch abstimmen muss. Trotz allem macht sich der Medienmogul doch Gedanken über seine Nachfolge.
Erst vor wenigen Tagen formulierte es Silvio Berlusconi so: »Wenn meine Tochter Marina merkt, dass die gesamte Partei sie braucht und will, dann wird sie ihre Meinung ändern und doch in die Politik gehen und Forza Italia anführen.«
Marina Berlusconi, eigentlich Maria Elvira, Geburtsjahr 1966 und Tochter aus erster Ehe des ehemaligen Ministerpräsidenten, ist Vorstandsvorsitzende in der von Silvio 1978 gegründeten Finanzholding Fininvest, zu der u.a. der Großverlag Mondadori, der AC Mailand und Mediaset gehören. Sie gilt als harte Geschäftsfrau und stand immer uneingeschränkt an der Seite ihres Vaters. Von ihm hat sie auch die Fähigkeit geerbt (oder gelernt), sich in den Mittelpunkt zu stellen sowie gegen politische Feinde extrem dezidiert und bissig vorzugehen.
Aber seit Monaten wiederholt Marina, dass sie nicht in die Politik gehen will. Ob das zwischen Vater und Tochter nun ein gut eingeübtes Spiel ist, mit dem man den »Wert« der zweifachen Mutter, die regelmäßig zu den »mächtigsten Frauen der Welt« gezählt wird, erhöhen will, ist schwer zu sagen. Tatsächlich wäre sie in vieler Hinsicht zumindest für ihren Vater die ideale Nachfolgerin: Ihr kann er bedingungslos vertrauen, bei ihr kann er sicher sein, dass zumindest seine ökonomischen Ambitionen und seine Finanzen in sicheren Händen sind. Und dass Berlusconi noch nie zwischen seiner wirtschaftlichen und der politischen Macht unterschieden, sondern sie stets gewinnbringend miteinander verbunden hat, ist hinlänglich bekannt.
Berlusconi hat noch vier weitere Kinder. Piersilvio, geboren 1969, ist ebenfalls im Familienunternehmen aktiv, Vizepräsident von Mediaset, gilt aber allgemein als blass. Aus zweiter Ehe stammen Barbara (geboren 1984), Eleonora (1986) und Luigi (1988). Von denen ist bisher aber nur die Älteste bei offiziellen Anlässen aufgetreten: Barbara sitzt im Aufsichtsrat des AC und hat erst vor Kurzem erklärt, ihr Vater sei nur von Neidern umgeben, die alle auf Posten aus seien. Wenn Berlusconi also nicht nur seine Firmen, sondern auch seine Partei vererben möchte, dann bliebe nur Marina.
Die Frage ist derzeit allerdings, welche Partei es überhaupt zu vererben gäbe. Im Alleingang hatte Berlusconi am Wochenende beschlossen und verkündet, die alte »Forza Italia« (FI) wiederzubeleben. Mit der hatte er 1994 seine ersten Wahlen in Italien gewonnen. Doch die Lage ist äußerst konfus. Wird das Volk der Freiheit (PdL) geschlossen in FI einfließen? Oder werden die »Regierungstreuen« oder »Softies«, die sich um den derzeitigen PdL-Vorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten Angelino Alfano scharen, eine eigene Partei gründen?
Jeden Tag sind dazu unterschiedliche und widersprüchliche Informationen zu vernehmen. Mal spricht Berlusconi Alfano sein vollstes Vertrauen aus, mal entzieht er es ihm wieder. Klar ist nur, dass über die endgültige Umbenennung ein Parteirat am 8. Dezember entscheiden wird, dort ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.
Bis dahin werden die zwei Strömungen in der Partei um die Vormacht streiten: Die einen wollen die große Koalition mit der Demokratischen Partei beibehalten, während die anderen möglichst sofort eine politische Krise herbeiführen und Neuwahlen durchsetzen wollen. Im Augenblick versucht Silvio Berlusconi noch irgendwie zwischen den beiden Lagern zu vermitteln. Nur wenn es zum endgültigen Bruch kommen sollte, wäre es denkbar, dass sich Marina an die Spitze der Hardliner setzt.
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