Die alliierten Freunde in Berlin

Spionieren? Klar, wie gehabt!

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
1991 trat der sogenannte Zwei-plus-Vier-Vertrag in Kraft. Er befreite Deutschland - einschließlich Berlin - endgültig von besatzungsrechtlichen Beschränkungen. Oder etwa doch nicht?

Im Artikel 7 des Zwei-plus-Vier-Vertrages heißt es: »Die Französische Republik, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst.«

Das ist im Großen und Ganzen so geschehen. Doch mochten die vier Mächte ihre Verantwortung wohl nicht so ganz abgeben. Stets hatte die USA aus ihren Botschaften heraus (zuerst aus der in der Neustädtischen Kirchstraße und nun auch aus dem Neubau am Pariser Platz) ein offenes Ohr für die deutschen Belange. Seit gestern wissen wir: Das kleine Britannien steht dem nicht nach und beaufsichtigt die deutschen Freunde gleichfalls aus der Wilhelmstraße. Unter dem Dach seiner Vertretung beherbergt Botschafter Simon McDonald - laut einem Bericht des britischen »Independent« - ein schickes kleines Abhörnest.

Top-Zeugen - Snowden und Merkel

Edward Snowden wäre der wohl wichtigste Zeuge in einem Untersuchungsausschuss. Der 30-Jährige Ex-Agent hat offenbar Tausende Geheimpapiere der NSA und verbündeter Dienste »mitgehen« lassen, kennt Operationen, Codes, Personen.

Angela Merkel müsste vor den Abgeordneten berichten, in welcher Weise deutsche Geheimdienste in die globalen Spionageoperationen der Verbündeten eingebunden sind und ob sie Erkenntnisse über deutsche Staatsbürger weitergegeben haben.

 

Das hat der Whistleblower Edward Snowden offen gelegt. Man fragt sich, ob er nicht noch das eine oder andere zu den beiden restlichen Ex-Alliierten mitteilen wird. Die neue Botschaft der Republik Frankreich liegt gleichfalls in der Wilhelmstraße, von dort muss man nur zwei Ampeln Unter den Linden überqueren, um vor der russischen Vertretung zu stehen. Auch wenn die Räume über der Aeroflot-Vertretung inzwischen recht leer aussehen, so bieten der Altbau wie die Blöcke im 70er-Jahre-Beton-Look genügend Platz für Technik und Bedienungspersonal.

Sicher allerdings dürfte sein, dass die Russen, so sie es tun, auf eigene Rechnung arbeiten. Anders als Großbritannien gehören sie nicht zu dem von den USA initiierten Club der »Five Eyes«. Konzipiert wurde der 1946, als Gründungsdokument gilt ein sieben Seiten langes »British-US-Communication Agreement«, das spätere UKUSA.

Zunächst tauschten die beiden Staaten Informationen über die Sowjetunion und deren sozialistische Satellitenstaaten aus. 1948 wurde Kanada Clubmitglied, 1956 kamen Australien und Neuseeland mit ihren asiatischen Verbindungen hinzu.

Seit einigen Jahren besteht ein sogenanntes Drittpartei-Abkommen zwischen der französischen Regierung und den »Five Eyes«-Geheimen. So ist die Frage nach Aktivitäten der Pariser Botschaft nicht gar so abwegig. Auch Israel und Italien, ja sogar Schweden haben sich den »Fünf Augen« angedient.

Dennoch scheint es, dass die Beziehungen zwischen den US- und den Geheimdiensten Großbritanniens inniger sind. Seit den 1970er Jahren ist der Special Collection Service (SCS) als Gemeinschaftstruppe von NSA und CIA für die technische Überwachung aus Botschaften heraus zuständig. Nun schreibt der »Independent« unter Berufung auf NSA-Papiere, die USA hätten unlängst einige ihrer 100 SCS-Stellungen geschlossen und deren Jobs dem britischen Geheimdienst GCHQ übertragen. Das macht Sinn, denn auch bei der Internetüberwachung durch die Systeme »Prism« und »Tempora« haben sich die beiden Staaten aus Gründen der Effektivität zusammengetan.

Das erleichtert auch irgendwie das Abhören von Freunden, denn das Insel-Königreich ist aus zahlreichen beschränkenden Vereinbarungen der EU ausgetreten oder hat sie von Anfang an ignoriert. Zwar hat die EU Londons Premier David Cameron aufgefordert, die Aktivitäten der GCHQ in Europa zu erklären, der aber hat jede Auskunft mit Hinweis auf die nationale Sicherheit so knapp wie schnöde abgelehnt.

Zurück zur britischen Botschaft in Berlin. Luftbilder des Gebäudes zeigen eine Art weißes, zylindrisches Zelt, das von der Straße natürlich nicht gesehen werden kann. Dessen Struktur, so schreibt der »Independent« weise eine »auffallende Ähnlichkeit« mit den Horchposten auf dem Westberliner Teufelsberg auf, mit dem die NSA, die CIA, die DIA und der britische Partnerdienst GCHQ während des Kalten Krieges die Ostberliner Kommunikation aufgefangen haben.

Die britische Vertretung ist im Jahr 2000 eröffnet worden. Die der USA im Jahre 2008. Selbstverständlich mussten vor Errichtung der Gebäude entsprechende Baupläne eingereicht werden, auf denen alle baulichen Gebilde zu erkennen sind. Für die Bestätigung von Botschaftsbauanträgen ist - wie das Bezirksamt Mitte gegenüber »nd« aufatmend betonte - die Senatsbauverwaltung zuständig. Dort grübelt man noch, wie weit die eigene Verantwortung in den konkreten Fällen gegangen ist.

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