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An den Grenzen der Logik

Auch der Mathematiker Kurt Gödel hinterließ einen sogenannten Gottesbeweis. Der wurde jetzt am Computer überprüft

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 5 Min.

In seinem 1940 vollendeten Roman »Der Meister und Margarita« lässt der sowjetische Schriftsteller Michail Bulgakow den Teufel inkognito auftreten. Der fragt den Vorsitzenden des Moskauer Schriftstellerverbands, Berlioz, was er von sogenannten Gottesbeweisen halte. »Diese Beweise sind allesamt nichts wert, und die Menschheit hat sie längst zu den Akten gelegt«, antwortet Berlioz und fügt an den Teufel gewandt hinzu: »Sie werden doch zugeben, dass es im Bereich der Vernunft einen Beweis für die Existenz Gottes gar nicht geben kann.«

Wie ein Blick in die Geschichte zeigt, haben dennoch einige berühmte Philosophen nach einem solchen gesucht: Thomas von Aquin, René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz, Baruch de Spinoza. Sie führten damit die schon von Aristoteles begründete Tradition fort, aus vorgeblich unwiderlegbaren Prämissen die Existenz Gottes logisch abzuleiten. Ein gutes Beispiel hierfür bietet der sogenannte teleologische Gottesbeweis, der häufig an eine Analogie geknüpft wird: Findet jemand am Straßenrand eine Uhr, dann wird er zweifellos annehmen, dass diese nicht schon seit ewigen Zeiten dort gelegen habe, sondern das Werk eines geschickten Konstrukteurs sei. Und weil ähnlich wie die Teile einer Uhr auch die Organe eines Lebewesens äußerst zweckmäßig zusammenwirkten, sei zu folgern, dass die Existenz des Lebens zugleich die Existenz eines intelligenten Schöpfers beweise. Spätestens seit Charles Darwin wissen wir, dass diese Sicht der Dinge nicht alternativlos ist. Vielmehr bietet die Evolutionstheorie ein Erklärungsmodell des Lebens, das viel mehr Details enthält als alle Schöpfungsmythen, und das außerdem jede übernatürliche Zutat vermeidet. Dennoch ist der teleologische Gottesbeweis bis heute beliebt, vor allem bei Kreationisten, die sich weigern, die Evolutionstheorie anzuerkennen.

Eine lange Geschichte hat auch der ontologische Gottesbeweis, der die Existenz eines höchsten Wesens aus dessen Begriff ableitet. Das heißt: Von der Existenz eines Begriffs wird unmittelbar auf die Existenz des damit Bezeichneten geschlossen. Als Urvater des ontologischen Gottesbeweises gilt der Theologe Anselm von Canterbury, der etwa so argumentierte: Gott sei das Wesen, über das hinaus nichts Größeres und Vollkommeneres gedacht werden könne. Da aber ein Wesen, das in dieser Form nur gedacht werde, minder vollkommen sei als ein Wesen, das überdies real existiere, müsse Gott also real existieren.

Für andere Philosophen war ein solcher Schluss keineswegs zwingend. In ihrer Kritik wiesen sie darauf hin, dass etwa die bloße Vorstellung einer vollkommenen Insel kein Beweis dafür sei, dass eine solche Insel wirklich existiere. Als Immanuel Kant den ontologischen Gottesbeweis überdies zum Zirkelschluss erklärte, schien dessen Schicksal für alle Zeiten besiegelt.

Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Und so konstruierte der berühmte Logiker und Mathematiker Kurt Gödel 1941 in Princeton (USA) einen weiteren ontologischen Gottesbeweis. Allerdings scheute er sich, diesen zu veröffentlichen. Nicht einmal seinem Freund Albert Einstein erzählte er davon. Denn Gödel litt seinerzeit unter Verfolgungswahn und lebte zudem in der steten Angst, vergiftet zu werden. Am Ende aß er nur noch das, was seine Frau für ihn kochte und vorkostete. 1970 fühlte sich der fast zu einem Skelett abgemagerte Gödel dem Tod so nahe, dass er sich entschloss, einem Studenten von seinem Gottesbeweis zu erzählen. Dieser schrieb eifrig mit und referierte später darüber in Princeton.

Bis vor Kurzem allerdings galt Gödels Beweis als mathematisch so anspruchsvoll, dass niemand zweifelsfrei feststellen konnte, ob er logisch korrekt ist. Er ist logisch korrekt, sagt jetzt der Computerwissenschaftler Christoph Benzmüller von der Freien Universität Berlin, der gemeinsam mit seinem Wiener Kollegen Bruno Woltzenlogel Paleo den Gödelschen Beweis auf einem Rechner formalisiert und überprüft hat. Über ihre Ergebnisse berichten die beiden Forscher auf dem Preprint-Server »ArXiv« (arxiv.org/abs/1308.4526).

Dass der »größte Logiker seit Aristoteles«, wie Gödel mitunter genannt wird, zu einer formal korrekten Argumentationskette gelangt war, konnte man erwarten. Nicht die Logik ist das Problem bei Gödels ontologischem Gottesbeweis. Was diesen trotz aller Stringenz so leicht angreifbar macht, sind die Definitionen und nicht beweisbaren Axiome, die ihm zugrunde liegen. So ist Gott laut Gödel ein Wesen, das alle positiven Eigenschaften auf sich vereint, wobei »positiv« hier keineswegs soviel bedeutet wie »gut«. Zwar erläutert Gödel nicht näher, was er unter positiven Eigenschaften versteht. Er führt aber immerhin zwei solcher Eigenschaften explizit an, nämlich gottähnlich zu sein und notwendigerweise zu existieren.

Davon ausgehend folgert er zuerst, dass Gott möglicherweise existiert, um schließlich abzuleiten, dass Gott notwendigerweise existiert. Auch hier dreht sich die Argumentation gewissermaßen im Kreis: Erst erfindet Gödel die positive Eigenschaft »notwendige Existenz« (wobei aus philosophischer Sicht anzumerken wäre, dass die bloße Existenz eines Gegenstandes nicht als eine Eigenschaft desselben betrachtet werden kann). Dann zeigt er, dass Gott notwendig existiert, wenn seine Existenz möglich ist. Quod erat demonstrandum.

Auf dem Papier kann man mithilfe geschickt gewählter Axiome bekanntlich alles Mögliche logisch ableiten, Gott ebenso wie den Yeti oder das Fliegende Spaghettimonster. Über die Realität der so bezeichneten Gebilde sagt das freilich nichts aus. Und so haben auch Benzmüller und Woltzenlogel Paleo auf dem Computer nicht die Existenz Gottes bewiesen, wie man gelegentlich lesen kann, sondern nur die mathematische Genialität Gödels, der, das sei abschließend zumindest erwähnt, ein bekennender Christ war und regelmäßig in der Bibel las.

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