Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

»Das Schlimmste ist die Erniedrigung«

Prügelstrafe an US-Schulen in 23 Bundesstaaten erlaubt Von Jörg-Michael Dettmer, dpa

  • Lesedauer: 3 Min.

An den öffentlichen Schulen der amerikanischen Großstadt Fort Worth im Bundesstaat Texas gab es zu Beginn des Schuljahres eine kleine, aber wichtige Änderung der Statuten: In dem Bezirk mit 144 Schulen und rund 77 000 Schülern dürfen Lehrer von sofort an nicht mehr schlagen. In der benachbarten Millionenstadt Dallas hingegen ist das so genannte paddling weiter erlaubt. In 23 der 50 US-Bundesstaaten dürfen Schüler und Schülerinnen gezüchtigt werden. Auf Druck von Eltern und Bürgerrechtlern schaffen jedoch immer mehr Staaten die Prügelstrafe ab.

Das Wort »paddling« kommt vom Begriff »Paddel« - denn etwa so sehen die rund einen Meter langen Holzbretter aus, mit denen Schläge auf die Hinterteile von Schülern platziert werden. »Ich bin in meiner Schulzeit mehrmals geschlagen worden«, erzählt der heute 34-jährige Texaner Tim O›Day. »Man hatte mich beim Rauchen auf dem Schulhof erwischt. Vor allem, wenn unser Footballtrainer schlug, hat das höllisch wehgetan.« In den meisten Schulbezirken gilt heute die Regel, dass vor einer solchen Züchtigung die Eltern des Schülers informiert werden müssen. Die Schläge werden von Angehörigen der Schulverwaltung und nicht von einem Lehrer ausgeführt. Außerdem muss ein Zeuge anwesend sein. Die Strafe kann zu blauen Flecken führen, aber nur selten zu schwereren Verletzungen. »Ich glaube, das Schlimmste ist die Erniedrigung,« meint O‹Day. »Es ist ganz einfach ein unmenschlicher Akt.« Die gemeinnützige Organisation »National Coalition to Abolish Corporal Punishment« (NCACP) kämpft für die Abschaffung der Prügelstrafe. Die in Columbus im Bundesstaat Ohio ansässige Gruppe argumentiert, das Prügeln der Schüler treibe nur den Kreislauf der Gewalt voran. Die NCACP weist zudem daraufhin, dass Schwarze und Latinos, Kinder aus armen Elternhäusern und Jungen überdurchschnittlich häufig geschlagen würden.

Vor allem in den südlichen Staaten der USA ist das »paddling« noch erlaubt. In den Schulen im Staat Arkansas wird nach Angaben des Washingtoner Bildungsministeriums am häufigsten geprügelt: Dort habe es 13,4 Prozent aller Schüler (Schuljahr 1993/94) getroffen. In der Statistik folgen Mississippi, Alabama, Tennessee, Texas und Georgia. In den meisten Staaten des Nordens und des Ostens dagegen gibt es heute kein »paddling« mehr. Die USA sind nach Angaben der NCACP neben Kanada der letzte westliche Industriestaat, der die körperliche Züchtigung in Schulen erlaubt. Dagegen haben sich bereits zahlreiche große Berufsverbände ausgesprochen, darunter die American Association of Pedriatics (Kinderärzte), die American Bar Association (Anwälte), die American Psychiatrie Association (Psychiater) und die National Association of Social Workers (Sozialarbeiter).

Unter älteren Amerikanern werden zwar immer wieder Stimmen laut, die die Prügelstrafe befürworten. Junge Eltern aber begrüßen die Abschaffung der Schläge offenbar mit großer Mehrheit. »Ich will nicht, dass meine achtjährige Tochter in ihrer Grundschule geschlagen wird«, sagt etwa die Texanerin Robin Mullendore in Fort Worth. »Es war höchste Zeit, dass das >paddling< hier abgeschafft wurde. Und es gibt doch andere Arten der Bestrafung, die wirksam und sinnvoller sind. Wie Nachsitzen oder Strafarbeiten.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.