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  • Politik
  • Gemälde von Wilhelm Lachnit im Dresdner Albertmum

Bedrängnis und Lebensfreude

  • Gerd Claußnitzer
  • Lesedauer: 3 Min.

Er habe »die Zwielichtigkeit der Zeitverhältnisse ohne einen bestimmten Inhalt wunderbar wiedergegeben«, schreibt der Maler Hans Grundig in seinem Erinnerungsbuch »Zwischen Karneval und Aschermittwoch« über den Gesinnungsfreund und Kollegen Wilhelm Lachnit. »So fein war sein Instrument gestimmt, dass der Ton der Straße in einer höheren Oktave zart wiederklang.« Der 1899 in Gittersee bei Dresden geborene Tischlersohn kam wie Curt Querner und Fritz Skade - mit beiden war Lachnit später in der Asso eng verbunden - aus profür den jungen Maler, der neben Grosz, Dix, Schlichter und neben Otto Nagel, Otto Griebel angetreten war, um das Leben in jenen »zwielichtigen« zwanziger Jahren zu dokumentieren und zu gestalten. Weniger im Sinne des sozialkritischen Verismus, wie etwa Dix mit seiner pessimistischen Sicht und ätzenden Schärfe, sondern eher von einem »optimistischen Idealismus« erfüllt, ohne damit vom sozialen Engagement abzurücken.

In einer eindrucksvollen Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die sich dem malerischen Werk Lachnits zuwendet, kann man Klarheit gewinnen über den Weg dieses Künstlers. Es war schon etwas ungewöhnlich, dass er relativ früh entgegen der expressionistischen Form Verwüstung sich zu Objektivität, Rationalität und Sachlichkeit bekannte. Er findet 1925 Aufnahme in dem Buch »Nach-Expressionismus« von Franz Roh. Künstlerfreunde sind von seiner altmeisterlichen Lasurmalerei begeistert. Diese malerische Disziplin kennt keine Farbekstasen. Linie, Umriss, Silhouettenwirkung sind Lachnit wichtig, auch Farbkonstanz. Im gegenständlichen Er zählen ist er anfangs ganz und gar ein neusachlicher Maler. Und er offenbart nicht den Überschwang der Gefühle, Leidenschaften, sondern feierliche Stille, Verhaltenheit, Ernst. Franz Roh hatte ja die »Gehaltenheit«, die »Balance« in der Neuen Sachlichkeit als »Wunder der Lebendigkeit« beschrieben.

Bildnisse Lachnits aus den zwanziger Jahren zeigen es (»Knabenbildnis«, »Schwangeres Proletariermädchen«, »Lesender Knabe«). Zuweilen tritt das Gestaltungsprinzip von Nahsicht und Fernblick in Erscheinung, ein von der Frührenaissance übernommenes Motiv. Und doch unterscheiden sich die Malereien Lachnits von anderen Bildern der Neuen Sachlichkeit. Die Veranstalter der Ausstellung heben sicher mit Recht die »Ver anlagung zum lyrischen Realismus« bei diesem Maler hervor. Zwischen Bedrängnis und Lebensfreude entfaltet Lachnit starke Neigungen eines »mitfühlenden Malers«, und er fühlt sich dann wohl auch in den »Kälteräumen« der Neuen Sachlichkeit mit ihrer »Kultur der Distanz« nicht ganz wohl. Da ist der sinnliche Zauber, der von dem Bild »Mädchen im Pelz« (1925) ausgeht und da ist das lebensvolle Bild der »Frau John« (1924). In dieser Malerei, so will uns scheinen, schlummert bereits der Maler, der sich zunehmend von der Innigkeit des Gefühls leiten lässt. Hildebrand Gurlitt hat es schon 1926 bemerkt, indem er schreibt. »Ein weicher, stiller Künstler, der seine sanfte Zärtlichkeit auch über die ödeste Welt legt.« Der Machtantritt der Nazis zwingt den Maler Wilhelm Lachnit zu einer Sklavensprache. Ein Beispiel dafür ist sein Bild »Der traurige Frühling« (1933). Wie auch die Maler freunde Dodel und Grundig bedient er sich metaphorischer Elemente. Das verwelkende Mädchen mit dem verdorrten Frühlingsblumenkranz auf dem Kopf, es ist nichts anderes als eine Stellungnahme zum unheilvollen Zeitgeschehen.

Nach 1945 wird Lachnit durch Grundig in den Lehrkörper der Hochschule für Bildende Künste Dresden berufen. Aber die unselige Formalismusdiskussion der fünfziger Jahre lässt den »zarten und empfindsamen« Menschen zerbrechen. Womöglich führte sie zu seinem frühen Tod im Jahre 1962. Der Künstler ist damals erst gerade 63 Jahre alt. So abgerundet, so harmonisch, zuweilen voller Heiterkeit, ja Clownerie sich seine späten Werke auch darstellen, der Maler konnte den Depressionen, unter denen er litt, nichts entgegensetzen.

Lachnit, der auf die Zerstörung Dresdens mit einem sehr pathetischen Bild, »Tod von Dresden«, geantwortet hatte, war in den letzten Jahren mit dem Willen zu stärkerer Abstraktion hervorgetreten. Die Auseinandersetzung mit dem Werk Picassos, auch mit den Fauves, hatte ihn zu einer Malerei üppig leuchtender Far ben und Formen geführt. Keine idealisierenden Verschönerungen darin, sondern ein Expressionismus elementarster Tatsachen, gleichsam den »inneren« Gesetzen unterworfen.

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