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Pimpaum, Pumpaumel oder Hundeblume?

Der Jenaer Mundartforscher Wolfgang Lösch »wortet« die Thüringer Sprachwelt und gilt als wandelnde Quelle der Dialektforschung

  • Lesedauer: 3 Min.

(Kreis Hildburghausen) seit seinen Tagen als Philologie-Student. * ? ; ‹\

Schon damals galt er als wandelnde Quelle der Dialektforschung. Ein ausgeprägtes Zungenspitzen-R hat er sich sozusagen als Zeichen seiner Heimatverbundenheit bis heute bewahrt. Damit liegt er nicht gerade im Trend, war doch das rollende »R« noch vor 100 Jahren weitaus gebräuchlicher als heute. Oft sind es handfeste soziale Zusammenhänge, mit denen eine Veränderung der Sprache, und sei es nur der Lautfärbung einhergeht. So haben die Jenaer Wissenschaftler nach der Wende die Verwendung von Dialektformen im Grenzgebiet zwischen Hildburghausen und Coburg untersucht. Während sich in der Region um Coburg eine starke auch sprachliche Hinwendung zum städtisch-industriellen Zentrum er kennen lässt, blieben die »Wäldler« auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs in ihren von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften geprägten Dörfern verwurzelt. Dennoch geben oft nur noch einzelne lokale Mundartwörter bücher Zeugnis vom einstigen Reichtum der Sprache.

»Wir worten die Welt«, sagt Dr. Wolf- ?gähgliösch; der für seinen Heimatort Biberschlag eine solche umfangreiche Wortsammlung erstellt hat. »Un dadorzu gimmd noch, dass de ächden Mundardforscher dor Uni Jene uff unse scheen Wärder warden«, schreibt Herta Brandl in ihrer Broschüre »Hasdes schon gehiert?« mit 50 Mundartgeschichten aus Teuchern (bei Zeitz). In der Tat: Nur durch solche Detailstudien stieß Lösch zum Beispiel auf das nordhennebergische »Gensgeschnerch«. Im Thüringischen Wörter buch steht es unter »Gänsegeschnürche« (auch das »Schwin« wird man hier nur finden, wenn man das »Schwein« sucht). Kein Grund, sich drüber zu amüsieren: War doch »Gänsegeschnürche« früher gebräuchliches Wort für Gänseklein.

Überhaupt: Mundart als Mittel des Humors darüber kann Lösch nur lachen. Ganz und gar nicht komisch findet er deshalb Stefan Raabs Rapsong vom »Maschendr oahtzaun«: »Damit sollen Dialektsprecher anscheinend zu Deppen gestempelt werden doch so wird nun mal im Vogtländischen gesprochen.« Und nicht nur dorthin Kahla bei Jena führe man die Schwartenwurst ja auch als »Schwoar Jenwoarscht« im Munde. Pur manchen Meininger Grund genug, Sachsen gleich hinterm Rennsteig beginnen zu lassen.

Herabgesetzt müssten sich die »Rest«- Thüringer deshalb dennoch nicht fühlen, beschwichtigt Lösch: Schon Thomas Mann habe schließlich vom »sanft ver schlafenen«, Erwin Strittmatter gar vom »verhalten vornehmen Thüringisch« gesprochen. Und wenn Wolfgang Lösch die verschiedenen Bezeichnungen für Löwenzahn referiert, spürt man gar den Puls der Vergangenheit: »Pumpaumel« sagen die Erfurter, »Pimpaum« die Weimarer, an der unteren Unstrut heißts »Hundeblume«, in der Rhön »Milchbusch« und in Altenburg »Rahmstock«.

»Gerade die Buntheit und Derbheit dieser Sprachformen bringt manches viel genauer auf den Punkt als die heutige Hochsprache.« Zum Beispiel das in Gießübel (ein Nachbarort von Biberschlag) gebräuchliche Wort für Maiglöckchen - »Määräuschla«. Im Wörterbuch findet mans unter »Mairäuschlein«, und genauer kann man diese Blume wohl wirklich nicht beschreiben.

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