In Berlin zehn Jahre

Kündigungsschutzfristen und Eigenbedarf

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Seit 1. Oktober 2013 gilt aufgrund der Kündigungsschutzklausel-Verordnung vom 13. August 2013 (GVBl. S. 488) für ganz Berlin eine Kündigungssperrfrist von zehn Jahren nach Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung und anschließender Veräußerung.

Grundlage der Verordnung ist § 577a BGB, wodurch die Bundesländer ermächtigt sind, die gesetzlich festgelegte Kündigungssperrfrist von drei Jahren auf bis zu zehn Jahre zu verlängern. Hierbei geht es um Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Laut Verordnung vom 16. August 2011 galt in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Pankow, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg bereits eine siebenjährige Sperrfrist.

Wird nach Überlassung einer Wohnung Wohnungseigentum begründet und die vermietete Wohnung anschließend verkauft, kann der Eigentümer das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs (oder Hinderung an angemessener wirtschaftlicher Verwertung) erst nach Ablauf von mindestens drei Jahren nach der Eintragung des ersten Erwerbers der Wohnung im Grundbuch kündigen.

Fallbeispiel

Anmietung einer Wohnung zum 1. Juni 2005, Umwandlung in Wohnungseigentum am 1. Juni 2009, erster Verkauf der Eigentumswohnung (Eintragung des neuen Eigentümers ins Grundbuch) am 1. Juni 2010: Die Kündigung ist erstmals am (nicht zum!) 1. Juni 2020 möglich, egal, wie viele weitere Eigentümerwechsel bis dahin stattfanden. Ziehen Sie als Mieter bereits in eine Eigentumswohnung ein, greifen erweiterter Kündigungsschutz und Vorkaufsrecht nicht. Wohnungssuchende sollten den Anbieter unbedingt fragen, ob es sich um eine Eigentumswohnung oder Mietwohnung handelt.

 

Zu dem Problem hatte bereits das Landgericht Berlin am 22. März 2013 (Az. 63 S 356/12) geurteilt: Nach der Umwandlung vermieteten Wohnraums in Wohnungseigentum beginnt die Kündigungssperrfrist gemäß § 577a BGB mit der erstmaligen Veräußerung. Die Sperrfrist greift nur, wenn die Wohnung dem Mieter vor der Aufteilung in Eigentum überlassen wurde.

Eine Mieterin schloss einen Mietvertrag, in dem als Mietbeginn der 1. Oktober 2000 vereinbart wurde. Am 13. Februar 2001 wurde das Haus in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die erste Veräußerung der Wohnung der Mieterin nach dieser Aufteilung erfolgte am 17. Dezember 2010. Am 1. August 2011 erfolgte eine weitere Veräußerung an zwei neue Eigentümer, die der Mieterin am 1. September 2011 wegen Eigenbedarfs kündigten.

Das Amtsgericht Mitte wies die Räumungsklage der Vermieter ab, die Berufung wurde vom LG Berlin zurückgewiesen. Die Vermieter bezweifelten, dass die Mieterin die Wohnung bereits vor Aufteilung des Hauses in Wohnungseigentum genutzt habe.

Das LG Berlin stellte jedoch klar, dass bereits der Wortlaut des Mietvertrags für eine Überlassung der Wohnung an die Mieterin vor der Umwandlung spräche und deshalb § 577a BGB anwendbar sei. Die dort festgelegte dreijährige Kündigungssperrfrist habe mit der erstmaligen Veräußerung der Wohnung am 17. Dezember 2010 begonnen, so dass die Kündigung vom September 2011 unwirksam sei.

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