14 Kommunen vor der Pfändung
Thüringer Bürgermeistern droht Entmachtung
Die chronische Unterfinanzierung kommunaler Haushalte macht immer mehr Thüringer Gemeinden zahlungs- und handlungsunfähig. Nun droht mindestens 14 Kommunen die Zwangsvollstreckung. Auslöser der Krise ist vielfach die Tatsache, dass die betroffenen Gemeinden bei ihren Landkreisen in der Kreide stehen, weil sie ihrer Pflicht zu Zahlung einer Kreisumlage nicht mehr nachkommen können. Das sind Zahlungen kreisangehöriger Gemeinden an den Landkreis und ein wichtiger Posten in den Kreisetats. Um die Gelder einzutreiben, kann das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA) eine »Vollstreckungszulassungsverfügung« erlassen und damit grünes Licht für das Eingreifen der Landkreise gegen die säumigen Kommunen geben.
Allein im Unstrut-Hainich-Kreis (UHK) rund um Mühlhausen stehen mindestens fünf hoch verschuldete Gemeinden unter Druck. So schuldet dem Vernehmen nach das 4000-Einwohner-Städtchen Schlotheim dem Kreis knapp 2,2 Millionen Euro Kreisumlage. Nach der Verfügung des TLVwA kann der Kreis nun zunächst knapp die Hälfte davon eintreiben. Bei einer Zwangsvollstreckung drohen der Zugriff auf Vermögenswerte und eine faktische Entmachtung von Bürgermeister und gewählten Gremien. Die Kommune könnte zur Streichung aller »freiwilligen« Ausgaben gezwungen werden, was die Schließung von Sport-, Kultur- und Sozialeinrichtungen und Kündigungen bedeuten könnte. Möglich wäre auch ein Zugriff auf pfändbare Vermögenswerte.
Dabei gehört der UHK selbst zu den finanziell besonders stark angeschlagenen Landkreisen im Freistaat. »Die Finanzlage ist durchaus angespannt«, erklärt die Kreisverwaltung auf »nd«-Anfrage. So bremsten rund 31 Millionen Euro aufgelaufene Fehlbeträge und ein Schuldenstand samt Leasingverpflichtungen von 58,3 Millionen Euro vor allem dringende Investitionen in Schulen. Mit einem Haushaltssicherungskonzept bemühe man sich um Ausgleich der Fehlbeträge und Schuldenabbau. Die Kreisumlage macht rund ein Viertel der Gesamteinnahmen des UHK aus.
Schlotheim und die prekäre Lage des UHK sind nur die Spitze des Eisbergs. So stehen laut Thüringer Gemeinde- und Städtebund (GStB) im Freistaat derzeit immer noch 122 Gemeinden ohne Haushalt für 2013 da. Und mitten im Aufstellungsverfahren des Haushalts für 2014 müssten 454 Gemeinden und damit rund die Hälfte aller Kommunen im Freistaat regelwidrig auf Rücklagen zurückgreifen, um den Haushalt auszugleichen. Etwa jede dritte Gemeinde sei nicht mehr in der Lage, aufgenommene Kredite zu tilgen.
Daher schlagen nun die kommunalen Spitzenverbände Krach. Durch eine »unfaire Berechnung des kommunalen Finanzausgleichs« zwinge die Landesregierung die Landkreise zu immer höheren Kreisumlagen und zu Vollstreckungen, »die wir gar nicht wollen«, heißt es vom Landkreistag. Die in der Thüringer Kommunalordnung vorgesehenen Zwangsvollstreckungen gegen Kommunen sind laut GstB einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. All dies gefährde auch die Bonität und Kreditwürdigkeit der Gemeinden und könnte die Kreditaufnahme durch die Kommunen bei Kreditinstituten verteuern, erklärt das geschäftsführende GstB-Vorstandsmitglied Ralf Rusch auf »nd«-Anfrage.
Um Zwangsmaßnahmen gegen klamme Kommunen zu stoppen, fordert die LINKE im Landtag nach Angaben ihres kommunalpolitischen Sprechers Frank Kuschel per Antrag eine Änderung der Kommunalordnung.
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