Wie ein Monsun

Schweres Unwetter auf der italienischen Insel Sardinien fordert mindestens 17 Todesopfer

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Nordosten Sardiniens ist von einer enormen Regenwand überrollt worden. In wenigen Minuten ist so viel Regen gefallen wie normalerweise in einem halben Jahr. Es gab mindestens 17 Tote.

Man hatte mit starken Regenfällen gerechnet - aber was dann infolge des Sturmtiefs »Cleopatra« auf die italienische Mittelmeerinsel niederging, ist zumindest für unsere Breitengrade außergewöhnlich. Man spricht von einer »Wasserbombe«, einem »Zyklon« und »monsunartigem Niederschlag«. Innerhalb von wenigen Minuten verwandelten sich kleine Bäche in reißende Ströme und rissen alles mit, was sich ihnen in den Weg stellte: Straßen wurden unterspült, Brücken brachen auseinander, Felder und Wege wurden überschwemmt. Kleine Abhänge wurden zu lebensgefährlichen Wasserfällen. In der Hafenstadt Olbia stieg das Wasser in kürzester Zeit um einige Meter und errichte die zweiten Etagen der Häuser. Die Toten, die bisher geborgen wurden, sind zum größten Teil alte Menschen und Kinder, die es nicht geschafft haben, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Zahlreiche Menschen werden nach der Naturkatastrophe noch vermisst. Einige Tausend sind obdachlos.

In Zeiten des Internets kann man die verzweifelten Hilferufe der Betroffenen lesen: »Wir fühlen uns wie Mäuse in der Falle«, schreibt jemand. »Das Wasser steigt weiter und wir wissen nicht wohin.« Oder auch »Wir sind mitten in einem reißenden Fluss.« Allein in Olbia sind mindestens sechs Menschen umgekommen: Einige sind in ihren Wohnungen ertrunken, andere wurden in ihren Autos überrascht und von den wuchtigen Fluten weggeschwemmt. Vor den Toren der Stadt ertrank ein Feuerwehrmann, weil sein Wagen von einer einstürzenden Brücke verschluckt wurde. Wenige Kilometer entfernt öffnete sich in einer Straße plötzlich ein riesiges Loch, in dem ein Auto mit einer ganzen Familie verschwand. In der gleichen Gegend ertrank ein Vater mit seinem dreijährigen Sohn in den Fluten. All das geschah innerhalb weniger Minuten.

Abgelegene Ortschaften waren erst isoliert und mussten dann geräumt werden, da sie von Erdrutschen bedroht sind. Der Bürgermeister des Dorfes Uras, Gerardo Casciu, erklärte, dass sich in seinem Dorf, das am Hang der Berge liegt, zwei Bäche innerhalb von Minuten in Flüsse verwandelt haben und wie »Wasserbomben« auf die Häuser geprallt sind.

Als das Wasser begann, wieder abzulaufen, wurde zumindest ein Teil der Verwüstungen sichtbar. In den Straßen von Olbia türmen sich Autos, die noch wenige Minuten vorher auf Parkplätzen standen; das Geröll macht es den Rettungskräften schwer, sich einen Weg zu bahnen. Der Strom ist unterbrochen und Hausrat schwimmt auf den Straßen. Dazu kommt der Schlamm, der jetzt ganze Stadtteile in eine braune Wüste verwandelt hat. Viele Menschen mussten stundenlang ausharren, bis es ihnen gelang, die Retter auf sich aufmerksam zu machen. Viele beklagen jetzt die Desorganisation der Sofortmaßnahmen: Oft vergingen bange Stunden, bis man zum Beispiel Kontakt zu einem Schulbus aufnehmen konnte, der in das Unwetter geraten war: Als der Fahrer merkte, dass einige Straßen nicht mehr befahrbar waren, hat er ein großes Hotel in der Gegend angesteuert und die Kinder dort in Sicherheit gebracht. Allerdings wurden die Eltern nicht sofort benachrichtigt.

Am Dienstagmorgen schien über dem Katastrophengebiet wieder die Sonne und man versuchte, einige Sammelstationen für die etwa 4000 Obdachlosen zu schaffen. Die Hotelbetriebe - Olbia und Umgebung sind beliebte Ferienorte - erklärten sich sofort bereit, Hilfsbedürftige aufzunehmen. Viele Häuser sind nicht mehr bewohnbar oder müssen erst von Statikern untersucht werden, bevor man hier mit dem Aufräumen beginnen kann.

Die Experten meinen, dass die Schlechtwetterfront auch in den nächsten Stunden und Tagen weiteres Unheil anrichten kann. Auch im Westen Kalabriens musste eine Wohnsiedlung geräumt werden, während man auf Sardinien weitere Regenfälle erwartet, die aber nicht mehr die Gewalt vom Montag erreichen dürften. Der italienische Staat hat den Notstand ausgerufen und 20 Millionen Euro freigeschaltet und auch die europäischen Institutionen erklärten sich zu sofortigen Hilfsmaßnahmen bereit.

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