Lektion für neuen IG Metall-Chef

Führungsduo Detlef Wetzel und Jörg Hofmann mit relativ schwachem Wahlergebnis

  • Jörg Meyer, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Außerordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall wählte eine neue Führungsspitze. Der Kampf gegen Werkverträge soll künftig Schwerpunkt werden.

Detlef Wetzel ist neuer Erster Vorsitzender der IG Metall. Die Delegierten des sechsten Außerordentlichen Gewerkschaftstages in Frankfurt am Main wählten ihn am Montag mit 75,5 Prozent zum Nachfolger von Berthold Huber. Zu seinem Stellvertreter wurde mit 77,7 Prozent Jörg Hofmann gewählt, der seit 2003 den IG-Metall-Landesbezirk Baden-Württemberg geleitet hatte. Es war ein vergleichsweise schwaches Ergebnis. Bei Wahlen zum Vorsitzenden der mit 2,3 Millionen weltweit größten Einzelgewerkschaft schnitt nur Jürgen Peters im Jahr 2003 mit 66 Prozent der Stimmen schlechter ab.

In seinem Grundsatzreferat am Nachmittag legte Wetzel die Leitlinien der Politik für die nächsten Jahre dar. Den eingeschlagenen Weg der Mitgliederentwicklung und -werbung wolle er weitergehen, sagte Wetzel. Nach der Leiharbeit soll nun der massenhafte Missbrauch von Werkverträgen zum Schwerpunkt werden. In ihrer Rede am Montagvormittag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt: »Bei den Werkverträgen tut sich ein potenzielles neues Missbrauchsfeld auf.« Diese Aussage treibt denjenigen, die sich mit Arbeitsthemen regelmäßig auseinandersetzen, die Zornesröte ins Gesicht. »Hat die noch nichts von den Schlachthöfen gehört?«, fragt sich mancher. Doch andererseits führt die bloße Feststellung, dass eventuell bei Werkverträgen politischer oder gar gesetzlicher Regelungsbedarf bestehen könnte, zu Schweißausbrüchen bei Vertretern aus Industrie und Wirtschaft.

Merkel sagte weiter, mit einem Koalitionsvertrag werde auch der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn kommen, »die CDU hatte da andere Vorstellungen«. Auf die Modalitäten müsse man sich noch einigen. Investitionsprogrammen oder Steuererhöhungen erteilte sie indes eine Absage. Man dürfe die jungen Generationen nicht zu sehr mit neuen Schulden belasten, so Merkel. »Wie wäre es denn, wenn diejenigen, denen es besonders gut geht, sich etwas mehr an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen«, entgegnete ihr Detlef Wetzel.

Der neue IG-Metall-Vorsitzende forderte vor den rund 460 Delegierten unter anderem ein Entgeltgleichheitsgesetz, Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, einen Ausbau von Betreuungs- und Bildungsangeboten. »Wir laufen nicht so sehr Gefahr, Schulden aufzubauen, die künftige Generationen begleichen müssen.« Die Gefahr liege eher darin, künftigen Generationen eine »verkorkste Infrastruktur« zu hinterlassen »und ihnen so die Grundlagen zu entziehen, im globalen Wettbewerb wirtschaftlich bestehen zu können«.

Die Reaktionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gewerkschaftstages auf die Wahl fielen gemischt aus. »Das Ergebnis ärgert mich, weil die wahlberechtigten Delegierten eine Verantwortung für die IG Metall haben und so auch Personen und der Organisation schaden«, sagte beispielsweise Karl Meyer, ehrenamtliches Vorstandsmitglied und Betriebsratsvorsitzender im baden-württembergischen Heidenheim gegenüber »nd«. Er sei sich aber sicher, dass Wetzel und Hofmann »das innerhalb kürzester Zeit hinbekommen«.

Horst Ott, Erster Bevollmächtigter der IG Metall im bayerischen Amberg, sagte, es sei ein »ehrliches Ergebnis«, wenngleich er sich mehr erwartet hätte. Wetzel habe die Gewerkschaft mit seiner Organisationsreform in den letzten Jahren »auf den Kopf gestellt und sich dabei sicher nicht nur Freunde gemacht«.

Wetzel hatte in den letzten Jahren die Gewerkschaftszentrale in Frankfurt am Main umgebaut, 200 Stellen gestrichen und Gelder in die Mitgliederwerbung umverteilt. Sein Führungsstil gilt als härter als der seines Vorgängers Huber. Erfolg hatte Wetzel vor allem mit der Kampagne gegen die Leiharbeit und der Trendumkehr bei der Mitgliederentwicklung, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wolfsburg, Hartwig Erb, sagte gegenüber »nd«, das Ergebnis zeige, dass die IG Metall auch in einem internen Diskussionsprozess stecke.

Der Gewerkschaftstag ging am Montagabend nach zwei Tagen zu Ende. Jürgen Kerner wurde am Montag zum neuen Hauptkassierer gewählt. Sein Vorgänger Bertin Eichler übergab ihm den Schlüssel zur äußerst gut gefüllten Hauptkasse. In seiner Abschiedsrede hatte Eichler gesagt: »Die IG Metall steht finanziell so gut da wie noch nie. Sie ist uneingeschränkt handlungsfähig. Und sie ist jederzeit kampffähig.« Auch Irene Schulz aus dem Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen und Wolfgang Lemb aus Thüringen wurden neu in den geschäftsführenden Vorstand gewählt.

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