Blütenträume der Entwicklungspolitiker
Schwarz-rote Unterhändler fordern bei allen Differenzen mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit
Um eine Milliarde Euro pro anno sollen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in den nächsten vier Jahren zulegen, fordern die Koalitionsunterhändler von SPD, CDU und CSU. Im gemeinsamen Entwurf des Koalitionsvertrages heißt es: »Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche EZ zur Verfügung zu stellen.« Dieses Ziel soll mittelfristig durch einen »konkreten, realistischen Finanzierungspfad« angenähert werden. Konsequenz: Die EZ müsste jährlich mindestens um rund 300 Millionen Euro steigen, soll sie auch nur im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung wachsen.
Bereits am heutigen Dienstag könnten allerdings die Blütenträume der Koalitionäre platzen. Wird doch die »Elefantenrunde« der Partei-und Fraktionschefs den Rotstift an die diversen Wünsche der 15 Arbeitsgruppen ansetzen. Statt 50 Milliarden Euro sollen am Ende nur zehn Milliarden für alle künftigen Vorhaben übrigbleiben - und das bedeutet zurück zu stecken.
Dabei sei es ihr in den Verhandlungen ein besonderes Anliegen gewesen, erklärt die Vorsitzende der Hilfsorganisation Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, die entwicklungspolitische Bildungsarbeit im Inland zu stärken. Die sozialdemokratische Verhandlungsdelegation für die EZ bestand aus ihr und dem Abgeordneten Sascha Raabe.
Den Entwicklungspolitikern ist offenbar bewusstgeworden, dass sie breite Unterstützung brauchen, um das Thema aus seiner Nischenecke herauszuholen.
Der Wechsel vom liberalen Markt-Minister Dirk Niebel zu seinem Nachfolger - vermutlich aus den Reihen der CSU - dürfte sich im Rahmen des Koalitionsvertrages relativ unspektakulär abspielen. Die neuen Schwerpunkte waren auch zuvor schon auf der Agenda gestanden - häufig jedoch nur als reine Lippenbekenntnisse.
Zum Beispiel die ländliche Entwicklung und die Ernährungssicherung. Beides gehörte auch zum Repertoire von Ex-Ministern wie Carl-Dieter Spranger oder Jürgen Warnke. Doch verloren diese Richtungen immer mehr an Boden. Auch der Ausbau des Bildungswesens in den ärmeren Gegenden vor allem für benachteiligte Frauen tauchte schon früher immer wieder in Sonntagsreden auf. Der Einfluss des Entwicklungsressorts reichte jedoch nie soweit, schädliche Rüstungs- oder Agrarexporte zu verhindern.
Konflikte zwischen den Entwicklungspolitikern aller Fraktionen und den gewählten Lobbyisten der Agrar-, Rüstungs-, Handels- oder Energiepolitik scheinen unausweichlich zu sein, wenn die Absichten der Koalition nicht nur auf dem Papier stehenbleiben. Zum Beispiel: Die EZ sei »vorausschauende Friedens- und, globale Strukturpolitik«. Sie sieht sich mit verantwortlich für Klima- und Umweltschutz, Arbeitsrechte und soziale Handelsnormen.
Nicht immer herrschte in der Unterarbeitsgruppe pure Harmonie. An der Frage der Verteilung zwischen bilateraler und multilateraler Hilfe entspannten sich ebenso Debatten wie an der Verteilung des Geldes zwischen Projekten und Budgethilfe für die Regierungen. Letzteres sei nur akzeptabel, heißt es in dem Dokument, wenn eine »effiziente Kontrolle der Mittelverwendung« existiere. Angesichts globaler Krisen sieht die SPD stärkeren Handlungsbedarf durch internationale Institutionen und Abkommen. Dazu gehören gesteigerte finanzielle Beiträge für Weltbank, EU, Vereinte Nationen, Internationale Arbeitsorganisation (ILO) oder Weltklimafonds. Die letzte Große Koalition (2005-2009) hatte diesen Kanal auf maximal ein Drittel des ministeriellen Etats gedeckelt. Verbessern möchte die Koalition auch die Arbeitsbedingungen in den Multi-Standorten im Süden. Dazu sollen die Kernnormen ILO in alle Handelsabkommen der EU aufgenommen werden
Die Union war mit einem vagen Papier in die Gespräche gezogen. Vor allem versuchten die beiden Unterhändlerinnen Dagmar Wöhrl und Sibylle Pfeiffer, die Rolle der Privatwirtschaft zu glorifizieren. Die SPD konterte mit der Einschränkung, Privatinvestitionen etwa durch multinationale Konzerne seien in den armen Ländern nur dann erwünscht, wenn sie soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einhielten.
Streit verursachte auch die Suche nach Kriterien für die Auswahl der momentan 55 Empfängerländer. So wollte die SPD die knappen Mittel auf die »ärmsten Länder« konzentrieren. Dagegen setzte die Union auch auf die für den Export so wichtigen Schwellenländer und sich damit durch.
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