Gewerkschaft unter Verdacht
Die sozialdemokratische UGT verwickelt sich immer tiefer in einen Korruptionsskandal
Im neuen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International ist Spanien wie kein anderes EU-Land abgerutscht. Dafür ist nicht nur Korruption der regierenden Volkspartei (PP) und im Königshaus verantwortlich, auch die Gewerkschaft UGT verstrickt sich immer tiefer in einen Skandal. Vergangene Woche musste der UGT-Chef in Andalusien, Francisco Fernández Sevilla, zurücktreten, die UGT-A muss 1,8 Millionen Euro an die Regionalregierung zurückzahlen.
Sie war deren Forderungen nicht nachgekommen, für Aufklärung über die Verwendung der gewährten Gelder zu sorgen. »Die Dokumentation wurde nicht von der Gewerkschaft überreicht«, erklärte der Sprecher der Regionalregierung José Sánchez Maldonado am Dienstag, womit die Beihilfe »nichtig« sei. Der UGT-A Organisationssekretär Manuel Ferrer sagte, es sei unmöglich gewesen. 1756 Dokumente in verschiedenen Computern seien gelöscht worden. Ferrer räumte ein, dass das nach einer »Ausrede« klinge, sicherte aber Aufklärung zu.
Er stellte damit eine fatale Parallele zur regierenden PP her. Nachdem deren ehemaliger Schatzmeister Luis Bárcenas im Sommer zugab, die Partei habe sich 20 Jahre illegal über Schmiergelder finanziert, wurden die Festplatten seiner Computer in der Parteizentrale gelöscht. »Es ist wie bei den Festplatten der PP«, meinte Ferrer. Dass es in der zweitgrößten Gewerkschaft wie in der spanischen Rechten zugeht, die bis zum Ministerpräsident Rajoy Schwarzgeld kassiert haben soll, bringt nun auch die Gewerkschaften in der Bevölkerung in Misskredit. Deshalb gerät auch der UGT-Chef in Madrid unter Druck. Zwar erklärt Candido Méndez, von den Vorgängen in Andalusien nichts gewusst zu haben, aber er schließt einen Rücktritt nicht mehr aus, wenn er »zu einer Last« werde.
Die UGT-A spricht von Sabotage, doch es ist wenig glaubwürdig, dass es keine Sicherheitskopien der Dateien gibt. Die Gewerkschaft ist in Erklärungsnot, da die Tageszeitung »El Mundo« sie mit vielen Dokumenten angegriffen hat. Geld für Informationsprogramme und Beratung soll zum Beispiel für teure Geschenke ausgegeben worden sein. 700 Taschen und Luxuskugelschreiber sollen an die Teilnehmer eines Gewerkschaftskongresses gegangen sein. Kostenpunkt: 100 776 Euro.
Die Veranstaltung habe mitten in der schweren Krise fast 600 000 Euro gekostet. Um das Geld aufzubringen, seien Rechnungen aufgebläht oder Beträge schlicht umgewidmet worden, hatte »El Mundo« berichtet. Parallelen drängen sich auch zum Vorgehen des königlichen Schwiegersohns auf, der über solche Vorgänge Millionen abgezweigt haben soll.
Seit geraumer Zeit ermittelt in Andalusien die Richterin Mercedes Alaya wegen subventionierter Frühverrentungen, mit denen ein Schaden von einer Milliarde Euro entstanden sein soll. Ermittelt wird auch gegen frühere Mitglieder der sozialistischen Regionalregierung und gegen die Gewerkschaft CCOO. Die frühere spanische Umweltministerin Magdalena Álvarez ist angeklagt. Sie soll in ihrer Funktion als andalusische Finanzministerin verantwortlich für den ERE-Skandal gewesen sein.
Frühverrentet wurden oft sogar mit hohen Abfindungen auch Freunde, Nachbarn, Gewerkschafter und Parteigänger, die nicht einmal in den Unternehmen gearbeitet haben. Überhöhte Kommissionen für die Abwicklung der sogenannten »ERE« sollen in einer Gesamthöhe von 50 Millionen Euro in die Gewerkschaftskassen zurückgeflossen sein. Das Geld war für Erwerbslose in einer Region bestimmt, in der 40 Prozent der Menschen keine Arbeit haben. Dieser Skandal überschattete auch José Antonio Griñán und bewirkte den Abgang des andalusischen Regierungschefs. Seine Nachfolgerin an der Regierung und Parteispitze in Andalusien will sich von den Vorgängen distanzieren. Susana Díaz fordert deshalb Aufklärung von der Gewerkschaft, die ihrer Partei nahesteht, und die Rückzahlung der Subventionen.
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