Regieren mit der Portokasse
Der neue Saar-Haushalt lässt der Politik einen Spielraum von gerade einmal 499 800 Euro
Nach zweitägigen Debatten hat die große Koalition aus CDU und SPD im Saarbrücker Landtag am Mittwochabend den Saar-Haushalt 2014 verabschiedet. LINKE, Piraten und Grüne lehnten den Haushalt ab. 3,9 Milliarden Euro will die Saar-Regierung im kommenden Jahr ausgeben, die Neuverschuldung soll auf 436 Millionen Euro gedrückt werden. Klar ist: Der Sparkurs schnürt die Handlungsspielräume immer weiter ein.
Piraten-Fraktionschef Michael Hilberer überschrieb das Ganze denn auch mit dem Wort »Politik-Simulation«, die Handlungsfähigkeit des Parlaments sei in Frage gestellt. Konkret spielte Hilberer darauf an, dass den Regierungsfraktionen CDU und SPD gerade mal ein Spielraum von 499 800 Euro für eigene politische Akzente verblieben war. Und diese halbe Millionen war zudem bereits von Finanzminister Stephan Toscani (CDU) - sozusagen als Leerstelle - im Haushaltsentwurf eingepreist. Trotzdem sprachen die Regierungsfraktionen von CDU und SPD nach ihrer Haushaltsklausur von »deutlichen Akzenten«, die sie für die Bereiche demografische Entwicklung, Alphabetisierungsschulungen oder Frankreichstrategie und Medienkompetenz gesetzt hätten. Was aber bleibt einem Land übrig, das 65 Millionen Euro jährlich einsparen muss, um 260 Millionen Euro Konsolidierungshilfen zu bekommen? Und dessen »größtes Problem« nach Angaben des Finanzministers die Altlasten sind. Die Zinszahlungen für den angehäuften Schuldenberg, der jetzt über 13 Milliarden anwachsen wird, sowie Pensionslasten verschlingen mit rund einer Milliarde Euro alleine ein Viertel des Budgets.
Die LINKE unterstrich erneut, dass nur mit Einnahmeverbesserungen durch eine andere Steuerpolitik überhaupt eine Lösung in Sicht wäre. Ansonsten werde die große Koalition ihr selbst gestecktes Ziel, nämlich die Sicherung der Eigenständigkeit des Bundeslandes, nicht erreichen können, unterstrich Fraktionschef Oskar Lafontaine.
Doch von Steuererhöhungen will selbst Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die schon mal mit einem höheren Spitzensteuersatz geliebäugelt hatte, angesichts des CDU/SPD-Koalitionsvertrags in Berlin nichts mehr wissen. Sie verwies auf Mehreinnahmen des Landes laut November-Steuerschätzung von rund 20 Millionen Euro und befand: »So falsch kann das System nicht sein«.
Mit dem Haushalt 2014 beginnt der Stellenabbau im öffentlichen Dienst des Landes. Bis 2020 sollen rund 2400 Stellen wegfallen, das sind mehr als zehn Prozent. In zähem Ringen hatten sich Regierung und Gewerkschaften - mit Ausnahme von ver.di - auf den Umbau der Verwaltung verständigt. Die Krankenhausfinanzierung wird um 3,6 Millionen gekürzt, die Ministerien müssen im kommenden Jahr 35 Millionen zusammenkratzen. »Die Treppe wird immer steiler«, kommentierte SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn.
Im kommenden Jahr stehen die Hochschulen auf dem Prüfstand. »2014 wird ein Jahr der Weichenstellungen für Hochschulen und Wissenschaft«, hat Kramp-Karrenbauer, die auch das Wissenschaftsressort verantwortet, angekündigt. Zwar hat die Landesregierung den Hochschulen ein Globalbudget bis 2020 zugesichert, was Planungssicherheit bedeutet. Tariferhöhungen, Energiepreise und Inflationsrate bedeuten de facto aber einen Rückgang der verfügbaren Mittel, wodurch Universitätspräsident Volker Linneweber ganze Fakultäten gefährdet sieht.
Heftigen Streit lösten die Piraten aus, als sie die Streichung der sieben Millionen Euro Subvention für den Saarbrücker Regionalflughafen zugunsten beispielsweise der Universität forderten. Sie stellen den Saar-Airport grundsätzlich in Frage und verweisen auf den nur 30 Kilometer entfernten Flughafen Zweibrücken in Rheinland-Pfalz sowie die Airports Hahn und Luxemburg. Die Regierung sieht dagegen den einzigen saarländischen Flughafen als zentralen Wirtschaftsstandort, wichtig auch für die internationale Ausrichtung der Universität. Sie hat allerdings das Ziel, die Zuschüsse im Zuge einer Neuordnung aller Landesgesellschaften drastisch zu reduzieren.
Dass traditionell nach der Schlussabstimmung im Saar-Landtag Heringe gereicht werden, mag an die Aschermittwochstradition erinnern. Mit der anschließenden Fastenzeit werden die Gürtel enger geschnallt.
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