Das totale Schrammeln
Am Montag tritt Kid Congo Powers im »Monarch« auf
Vor 35 Jahren konnte Brian Tristan, besser bekannt unter dem Namen Kid Congo Powers, noch kein Instrument spielen. Doch glücklicherweise traf er, der mit 15 Jahren einen Ramones-Fanclub gegründet hatte, in der Menschenmenge, die für ein Konzert der grantigen Rock-Dekonstrukteure Pere Ubu Schlange stand, den Gründer des Blondie-Fanclubs, den etwas älteren Jeffrey Lee Pierce, der gekleidet war wie ein queerer Philip Marlowe und dessen strohblonde Haare in sämtliche Richtungen wuchsen. Das war 1979 in den USA, als jede Art Klangerzeugung New-Wave-Musik genannt werden durfte und Exaltiertheit für eine Person kein Hindernis darstellte. So wuchs zusammen, was zusammengehörte: Pierce und Powers, der Pop-Glamour von Blondie und der rohe Primitivismus der Ramones, der schmutzige Rockabilly und der bollernde Punk, der Rausch und die Libertinage, die Blues-Sounds von Link Wray und Robert Johnson.
Man gründete die Band The Gun Club. Man trank viel, stand auch sonst Drogen aufgeschlossen gegenüber, war laut und rumpelte den robustesten und modernsten Krachsound daher, den es zu jener Zeit gab.
Pierce habe ihm angeboten, er könne ihm »Gitarrespielen beibringen, wie es die Bluesmusiker täten«, sagte Kid Congo Powers einmal, »dann bräuchte ich nur zu schrammeln. Ich war einverstanden.« Anfangs habe er mit seiner Gitarre »nur einen Höllenlärm« erzeugt, »bis es einigermaßen nach etwas klang«. Und tatsächlich verfeinerte der Mann seine überzeugende Spieltechnik im Lauf der Zeit. Was folgte, waren Dröhnen, Dengeln, Feedbackpfeifen und eine grundsolide Überzeugung, die über Jahre hinweg gepflegt wurde: »Wir hatten kein Interesse an der Zukunft. Wir wollten die Zukunft zerstören.«
Danach trat der ursprünglich aus Mexiko stammende schwule Punkgitarrist eine Erkundungsreise durch die düstersten Bands der 80er Jahre an: Für einige Jahre wurde er Mitglied der Sex-Trash-Rockabilly-Noise-Combo The Cramps, kehrte kurzzeitig zum Gun Club zurück, bevor er schließlich nach Westberlin ging und die zweite Hälfte der 80er Jahre mit Nick Cave und den Bad Seeds und im Umfeld der Einstürzenden Neubauten verbrachte. Nicht wenig beeindruckend angesichts seiner Musikerlaufbahn ist, dass der Mann sich noch an die 80er zu erinnern scheint bzw. noch am Leben ist. Sein einstiger Gun-Club-Kompagnon Jeffrey Lee Pierce starb 1996, mit 37 Jahren. Vor beinahe fünf Jahren starb der Sänger der Cramps, 62-jährig.
Die Formation, mit der mittlerweile auch schon 52-jährige Kid Congo Powers seit über zehn Jahren durch eher kleine Clubs tingelt, heißt The Pink Monkeybirds, »die pinkfarbenen Affenvögel«. Eine Prognose sei an dieser Stelle gewagt: Die Intensität des musikalischen Vortrags dürfte dessen Raffinesse übersteigen. Statt feinsinnigem Virtuosentum sollte man also eher einen wenig subtilen Voll-auf-die-Zwölf-Hauruck-Garagenpunk erwarten.
Kid Congo Powers & The Pink Moneybirds, am 9.12. im »Monarch«, Skalitzer Str.134, 10999 Berlin, 10 €.
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