Pharmabranche im Selbstbedienungsmodus

Merkel kassiert Deckelung für Medikamentenpreise - gegen die Bestimmungen des Koalitionsvertrags

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Kaum hat die SPD über die Koalition abgestimmt, schafft das Kanzleramt offenbar Fakten: Eine Runde Nichtstun könnte der Pharmabranche gut eine halbe Milliarde Extraprofite bringen.

Nach einem Zeitungsbericht hat das Bundeskanzleramt die von Union und SPD verabredeten Maßnahmen zur Kontrolle von Medikamentenpreisen kassiert. Wie die »FAZ« berichtet, habe das Kanzleramt die Vorbereitungen für ein Pharmagesetz abgebrochen, das eigentlich bereits in der kommenden Woche in den Bundestag hätte kommen sollen. Dieses Gesetz hätte verhindern sollen, dass bestehende Regelungen zur Deckelung von Arzneipreisen zum Jahresende auslaufen.

Seit 2009 konnten die Pharmakonzerne ihre Preise nicht mehr beliebig gestalten. Um die damals stark unter Druck stehenden Krankenkassen zu entlasten und sogenannte Mondpreise zu verhindern, hatte die schwarz-gelbe Regierung beschlossen, die Preise patentierter Medikamente einzufrieren. Außerdem wurde der Pharmaindustrie zugunsten der Krankenkassen ein »Zwangsrabatt« von 16 Prozent auferlegt. Tatsächlich waren diese Maßnahmen auch wirksam, sagt Bernhard Winter vom Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte gegenüber »nd«. Die im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch immer »exorbitanten« deutschen Arzneipreise seien für »ein, zwei Jahre spürbar zurückgegangen«.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist die ohnehin industriefreundliche Absicht festgehalten, diesen Rabatt auf sieben Prozent zu senken. Allerdings sollte das Preismoratorium, über das die Industrie stets geklagt hatte, unbefristet verlängert werden. Dazu hätte aber noch vor dem Jahreswechsel ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden müssen. Kommt es nicht dazu, liefe das Preiserhöhungsverbot aus und der »Zwangsrabatt« erreichte nicht die beschlossenen sieben Prozent, sondern fiele auf sechs Prozent - den vor der letzten Regelung geltenden Satz.

Dem Bericht zufolge will sich die SPD allerdings gegen eine Aufweichung oder gar Entsorgung dieses wichtigen Verhandlungsergebnisses wehren. Das sollte sie auch, sagt Medizinexperte Winter, denn »ohne das Preismoratorium« fiele Schwarz-Rot aus seiner Sicht »sogar hinter Schwarz-Gelb zurück«. Sollte dies tatsächlich so kommen, dann starte die Regierung mit einer »skandalösen« Weichenstellung.

Begründet wird die vorläufige Aussetzung der Vorbereitung eines dem Koalitionsvertrag gemäßen Entwurfs mit Zeitproblemen. Bis zum Jahreswechsel sei ein Gesetz nicht mehr durch den Bundestag zu bringen. Freilich wäre es möglich, die zweite und dritte Lesung nach dem Jahreswechsel anzugehen und das Gesetz rückwirkend in Kraft zu setzen.

Derzeit haben die Krankenkassen ein Finanzpolster von 17 Milliarden. Ohne das Preismoratorium wäre dieses allerdings schnell abgeschmolzen; durch das Verbot von Fantasiepreisen für Pharmazeutika und den Sieben-Prozent-Rabatt hätten die Kassen allein im nächsten Jahr zwischen 500 und 700 Millionen Euro sparen sollen. Selbst wenn die Preisbremse für Arznei also nicht wegfällt, sondern sich vielleicht nur verschiebt oder neu verhandelt wird, geht es um große Summen für die mächtige Pharmabranche.

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