Krankenkassen: Fragen und Antworten zur wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung

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Zum 1. Mai ist das »Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) in Kraft getreten. Das Gesetz enthält eine Reihe von Regelungen, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf den Patienten haben. Im Folgenden beantwortet das Bundesgesundheitsministerium einige Fragen rund um das Thema »Arzneimittelversorgung«.
Was mache ich, wenn mein Arzt mir mein bisheriges Medikament nicht mehr verschreibt?
Ärzte sind verpflichtet, die im Rahmen der Therapie notwendigen und wirtschaftlichen Arzneimittel zu verordnen. Nur wenn eine Arzneimittelumstellung den Therapieerfolg nicht beeinträchtigt, soll der Arzt auf ein gleichwertiges, günstigeres Alternativpräparat zurückgreifen. Die Umstellung auf ein anderes Arzneimittel kann auch für Patienten sinnvoll und wünschenswert sein, denn die Höhe der gesetzlichen Zuzahlung für rezeptpflichtige Arzneimittel ist abhängig vom Preis. Das bedeutet: Je preiswerter ein Arzneimittel ist, desto geringer kann auch die gesetzliche Zuzahlung ausfallen. 

Wie verhalte ich mich, wenn ich die Umstellung auf ein neues Präparat nicht vertrage?
Bei Arzneimittel-Unverträglichkeiten sollten Patienten zunächst ihren Arzt aufsuchen und ihn über die Unverträglichkeit informieren. Dabei sollte geklärt werden, ob dem Patienten das »alte« Mittel oder ein anderes, eventuell besser verträgliches Medikament verordnet werden kann. Ärzte sind übrigens verpflichtet, unerwünschte Arzneimittelwirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen. 

Was kann ich als gesetzlich Versicherter tun, wenn mein Arzt sagt, er könne mir im Moment kein Rezept ausstellen, weil sein Budget überschritten sei?
Wenn ein Arzneimittel im Rahmen der Therapie notwendig ist, darf ein Rezept nicht verweigert werden. Auch wenn das immer wieder behauptet wird: Es gibt für Ärzte kein festgelegtes Arzneimittelbudget. Patienten sollten sich in einer solchen Situation an ihre Krankenkasse wenden, die zur Auskunft und Beratung verpflichtet ist. 

Muss mein Arzt finanzielle Sanktionen fürchten, wenn er mir ein teures Arzneimittel verschreibt?
Nein. Nicht, wenn das teure Arzneimittel medizinisch notwendig ist und es kein vergleichbar wirkendes preisgünstigeres Medikament gibt. Ärzte sind verpflichtet, die im Rahmen einer Therapie notwendigen Arzneimittel zu verordnen. Ein Arzt muss nur dann mit finanziellen Folgen rechnen, wenn er überdurchschnittlich oft zu teure Präparate verschreibt. Denn dann ist davon auszugehen, dass diese hohen Verordnungskosten nicht aus medizinischer Notwendigkeit entstehen, sondern aus mangelnder Sorgfalt in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnung. Immer dann, wenn dies ohne Qualitätsverlust bei der Therapie möglich ist, sollen Ärzte unter den zur Verfügung stehenden Arzneimitteln des gleichen Wirkstoffs ein preisgünstiges auswählen. 

Gibt es Arzneimittel, bei denen der Patient über die gesetzliche Zuzahlung hinaus Kosten übernehmen muss?
Patienten leisten bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln die gesetzlich festgelegten Zuzahlungen. Ärzte können auf eine ausreichende Auswahl an vergleichbaren Arzneimitteln zurückgreifen, die zum Festbetrag - das sind Höchstbeträge für die Erstattung durch die Krankenkassen - erhältlich sind.
Verordnet ein Arzt dennoch ein Arzneimittel, dessen Preis über dem Festbetrag liegt, muss er den Patienten darüber informieren, dass dieser die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen hat. 

Gibt es rezeptpflichtige Arzneimittel, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden?
Patienten haben grundsätzlich einen Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Allerdings gibt es rezeptpflichtige Arzneimittel, die nicht von den gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Hierzu gehören Medikamente gegen Erkältungskrankheiten und grippale Infekte, sofern es sich dabei um geringfügige Gesundheitsstörungen handelt - zum Beispiel Schnupfen oder Husten. Ausgeschlossen sind auch Abführmittel, Arzneimittel gegen Reisekrankheiten und Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, so genannte Lifestyle-Produkte. Dazu zählen verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Potenzsteigerung, zur Zügelung des Appetits oder zur Verbesserung des Haarwuchses. Außerdem kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), Arzneimittel von der Verordnung ausschließen oder auf bestimmte medizinische Anwendungsgebiete einschränken. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Nutzen, medizinische Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels nicht nachgewiesen sind und eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit besteht.
Der G-BA kann das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Nutzenbewertung von Arzneimitteln beauftragen. Das Institut hat gerade seinen Bericht zur Nutzenbewertung von Insulinanaloga vorgelegt. Es kommt darin zu dem Schluss, dass ein Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen Humaninsulinen bei der Behandlung von Typ-2-Diabetikern nicht nachgewiesen ist. 

Welche rezeptfreien Arzneimittel werden noch von den Krankenkassen bezahlt?
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (auch OTC-Präparate genannt) werden in der Regel nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Diese Regelung gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. In diesen Fällen erstatten die Kassen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel auf Rezept. Auch rezeptfreie Arzneimittel, die zum Therapiestandard bei schwerwiegenden Erkrankungen gehören, werden weiter von der Krankenkasse bezahlt. Dies können auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie sein.
Ein rezeptfreies Arzneimittel kann auch dann auf Kassenkosten verordnet werden, wenn es im Rahmen der Therapie als begleitendes Arzneimittel zwingend vorgeschrieben ist oder aber zur Behandlung von schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen eingesetzt wird. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat eine entsprechende Ausnahmeliste beschlossen. Welche Arzneimittel dazugehören, erfährt man bei Arzt oder Krankenkasse bzw. in der Apotheke. Im Internet ist die so genannte OTC-Ausnahmeliste unter:
www.die-gesundheitsreform.de 

Wann wird von dem behandelnden Arzt ein Privatrezept (»grünes Rezept«) ausgestellt?
Ein so genanntes »grünes Rezept« wird vom Arzt nur ausgestellt, wenn kein Anspruch auf die Ausstellung eines Kassenrezeptes besteht. Das »grüne Rezept« informiert darüber, dass die Anwendung des aufgeführten Arzneimittels zwar medizinisch geboten ist, die Kosten jedoch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Es dient darüber hinaus als Merkhilfe für den Patienten bezüglich Name, Wirkstoff, Darreichungsform, Packungsgröße etc. des Arzneimittels. 

Welche gesetzlichen Zuzahlungsregelungen für Pharmaka gelten derzeit?
Bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln zahlen Sie 10 Prozent des Verkaufspreises dazu, jedoch höchstens 10 Euro und mindestens 5 Euro. Ein Beispiel: An einer Arznei für 75 Euro beteiligen Sie sich mit 7,50 Euro - nämlich 10 Prozent des Preises. Kostet ein Medikament 200 Euro, beträgt die Zuzahlung 10 Euro. Wenn ein rezeptpflichtiges Medikament 15 Euro kostet, zahlen Sie 5 Euro. Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind von Zuzahlungen für Arzneimittel befreit. Eine Übersicht der gesetzlichen Zuzahlungsregelungen gibt es im Internet:
www.die-gesundheitsreform.de 

Wer wird von den Arzneimittel-Zuzahlungen befreit?
Von der Arzneimittel-Zuzahlung befreit werden alle Patienten dann, wenn sie die so genannte Belastungsgrenze erreicht haben. Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen liegt bei 2 Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, für chronisch Kranke bei 1 Prozent. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze können sämtliche Zuzahlungen geltend gemacht werden wie Heil- und Hilfsmittel, Krankenhausaufenthalte, Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Fahrkosten und die Praxisgebühr bei Arztbesuchen. Unter Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt fallen alle Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt sind und gegenwärtig zur Verfügung stehen, neben Arbeitseinkommen beispielsweise auch Mieteinnahmen, Abfindungen oder Betriebsrenten. Familien können 2006 pro Kind 3648 Euro von ihren anzurechnenden jährlichen Bruttoeinnahmen abziehen. Für den Ehepartner können 4410 Euro in Abzug gebracht werden. 

Welche Belastungsgrenzen gelten für chronisch kranke Patienten und deren Familie?
Ist ein Versicherter oder ein familienversicherter Familienangehöriger (Ehepartner, volljähriges Kind) schwerwiegend chronisch krank, gilt für alle Familienmitglieder die maximale Belastungsgrenze von 1 Prozent. Das trifft auch dann zu, wenn der chronisch kranke Ehepartner bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse versichert sein sollte. Grundlage für die Berechnung der Belastungsobergrenze sind die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller im Haushalt lebenden Familienangehörigen, abzüglich der Freibeträge für die Kinder und den Ehepartner. Sobald die Zuzahlungen aller Familienmitglieder insgesamt 1 Prozent der Bruttoeinnahmen erreicht haben, sind alle im Haushalt lebenden Familienmitglieder von Zuzahlungen für das restliche Jahr befreit. Wie die Umsetzung im Einzelfall erfolgt, sollte man bei der Krankenkasse erfragen. 

Lassen sich die Zuzahlungen für Arzneimittel senken - und wenn ja wie?
Die Höhe der Zuzahlungen für rezeptpflichtige Arzneimittel ist abhängig vom Preis. Je preiswerter das Medikament ist, desto geringer fällt auch die Arzneimittel-Zuzahlung aus. Arzneimittel mit Preisen von 30 Prozent und mehr unterhalb des Festbetrags (berechnet auf Basis des Apothekeneinkaufspreises) können durch Beschluss der Spitzenverbände der Krankenkassen von der Zuzahlung befreit werden. Dadurch erhalten alle Versicherten auch die Möglichkeit, preisgünstige Festbetragsarzneimittel ohne jegliche Zuzahlung zu erhalten. Gespräche dazu sind im Gange. Einige Generika-Hersteller haben inzwischen auch schon umfangreiche Preissenkungen in Aussicht gestellt.

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