Antwort auf das Drama: absolute Stille

Zum Geburtstag des Komponisten Verdi: eine Kunstausstellung bei ver.di

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer hinreichend aufgeschlossen den Kuriositäten des Berliner Ausstellungswesens auf der Spur ist, lenkt hin und wieder seine Schritte in hochoffiziell repräsentative Bauten. Ob es nun das SPD-Hauptquartier im Willy-Brandt-Haus oder das hochwohllöbliche Abgeordnetenhaus ist - Kunst zu zeigen ist Ehrensache. Da kann die Hochburg der Gewerkschaft ver.di am Spreeufer schräg gegenüber vom Ostbahnhof nicht hintanstehen. Weil sie ja in den äußersten Verästelungen ihres Apparates den Schriftstellern und den bildenden Künstlern ein virtuelles organisatorisches Dach bietet, spielt da auch eine gewisse Verpflichtung mit.

Nun ist von den Architekten solcher Baulichkeiten in den seltensten Fällen daran gedacht worden, neben ihrer eigenen Originalität so etwas wie bildkünstlerische Zugaben zur Geltung zu bringen. Selbst in schlichten Rathäusern und anderen Verwaltungsgebäuden kommt das hinzugefügte Freikünstlerische kaum angemessen zur Wirkung: Beleuchtung und Raumanordnung sind nicht danach.

Das Prachtgebäude von ver.di hat wie viele unserer vom Zeitgeist durchdrungenen Museumsneubauten eine geräumige Eingangssituation. Halbrechts führt eine gewaltige Treppe auf eine von Säulen gestützte Ebene. Hier geht es zur hehren Kunst. Die Büroräume erreicht man von anderswo. Sie sind nicht ohne Weiteres frei zugänglich.

Jetzt ist ein ausgebuffter Spaßvogel auf die Idee gekommen, den 200. Geburtstag von Italiens hochdramatischem Komponistenstar Giuseppe Verdi hier mit einer kleinen Kunstschau zu feiern. Da die Gewerkschaft ohnehin dauernd mit ihm, der Namensgleichheit wegen, gehänselt wird, geht man in die Offensive - man versucht schüchtern, sich zu ihm zu bekennen. An der Stirnwand zu ebener Erde prangen die Farbfotos vom Spektakel an der Berliner Volksbühne »Villa Verdi«. Johann Kresnik hat das dort gegeben, dem original italienischen »Il Bacio di Tosca« nachempfunden. Die Szenenfotos eines nicht genannten Fotografen sind das, was sonst in Theaterfoyers zur Unterhaltung des Publikums dient. Kunst ist es eher weniger.

Als »Ausstellung künstlerischer Sichtweisen« zum bekannten Anlass bezeichnet, steht das Ganze unter dem Titel »Gedehnte Zeit - Szenen-Bilder«. Drei wirkliche bedeutende Künstler aus drei verschiedenen Generationen zeigen auf der oberen Ebene Beachtliches. Keiner wird beim Schaffen des Gezeigten jemals an Verdi gedacht oder ihn dabei gehört haben. Hans Vent (*1934) und Hans Aichinger (*1959) sind Maler, die ohne jede Theatralik subtil Intimität kultivieren, und Wolfgang Flad (*1974) zaubert gewundene hölzerne Gespinste quer durch imaginäre Räume. An die Wand gepinnte Texte zitieren lediglich vorhandene Biografien. Kuratorischer Ansatz bleibt so im Dunkeln wie ein Teil der Exponate auch.

Falls wirklich zufällige Besucher, Gäste des Hauses oder gar Gewerkschafter auf das alles einen Blick riskieren, lernen sie hochkarätige Kunst kennen. Die in warmen Pastelltönen, jedoch in Acrylfarben abstrahierend verfremdete Bildniskunst des Berliners Hans Vent ist schon lange ein Geheimtipp. Der Leipziger Hans Aichinger war einst zusammen mit Neo Rauch einer der letzten Malschüler des großen Bernhard Heisig. Dennoch folgte er jenem vehement als alter Wilder Agierenden nicht. Er setzt versonnen zögerliche Menschenfiguren auf diffuse dunkle Hintergründe als Visionen bedeutender Augenblicke. Ob das dann »Die Wahrheit« oder »Die Verwandlung« heißt, bleibt sein Geheimnis. Wir ahnen hohe Malkultur im Halbdunkel der hiesigen Präsentation.

Wolfgang Flad studierte in seiner Geburtsstadt Reutlingen zunächst Textildesign, ehe er auf der Stuttgarter Akademie endgültig zur Plastizität feingliedriger Holzskulpturen fand. Wir umschreiten fasziniert sechs seiner neuen Kreationen. Er lebt und arbeitet als echter Schwabe heute in Berlin. Wenn der große Volltöner Verdi mit alldem auch gar nichts zu tun hat, präsentiert die Gewerkschaft immerhin drei Künstler, die es wahrlich verdienen. Heinrich Bleicher-Nagelsmann als Kulturverantwortlichem im Bundesvorstand von ver.di ist zu wünschen, über seine rühmenswerten Initiativen zur Wahrung von Künstlerrechten hinaus auch ein fundierteres Ausstellungsprogramm für dieses Haus zu entwickeln. Ohne eine nennenswerte Öffentlichkeitsarbeit mit Plakat und Flyer ist das undenkbar.

Gedehnte Zeit - Szenen-Bilder. Ausstellung künstlerischer Sichtweisen zum 200. Geburtstag Giuseppe Verdis. Ver.di-Bundeszentrale, Paula-Thiede-Ufer 10r, 10179 Berlin. Bis 5. Februar 2014 zu den üblichen Bürozeiten.

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