Absturz eines Hubschraubergeschäfts
Indien kündigt einen Millionenvertrag / Regierung setzt vor Wahlen auf Kampf gegen Bestechungspraktiken
Insgesamt sollte die indische Luftwaffe 12 Helikopter erhalten, die ausschließlich der Beförderung höchster staatlicher Persönlichkeiten dienen. Laut einem Bericht der Tageszeitung »Economic Times« hat Indien bereits 30 Prozent der Gesamtkosten von rund 557 Millionen Euro bezahlt. Ob Delhi diese Summe nach der einseitigen Aufhebung des Kontrakts als Verlust abbuchen muss, bleibt abzuwarten. AWIL (AgustaWestland International Limited) will ein Schiedsgericht mit der Angelegenheit beauftragen.
Als Grund für den »Absturz« des Geschäfts führte Indiens Verteidigungsministerium eine »Verletzung des vorvertraglichen Integritätspaktes« an. Gemeint ist ein verzweigtes Korruptionsnetz, in dem sich offensichtlich indische und italienische Beamte, Industrielle, Militärs und Mittelsmänner verfangen haben. Indiens Zentrale Ermittlungsbehörde CBI begann im Februar 2013 eine Untersuchung und registrierte einen Fall von »Bestechung, Verschwörung und Betrug«. Die Vorwürfe richten sich gegen 13 Inder und die sechs Firmen Finmeccnica (Italien), AgustaWestland (Großbritannien), IDS (Tunesien), Infotech Design System (Mauritius), IDS Infotech Ltd. (Indien) und AIS (Indien). Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen, sie werden trotz der Kündigung des Deals fortgesetzt. Prominent unter den indischen Verdächtigen ist der ehemalige Luftwaffenchef S.P. Tyagi, der wie drei seiner Cousins Nutznießer von Bestechungsgeldern sein soll. Die Rede ist von etwa zehn Prozent der Gesamtsumme.
Schon im Februar 2013 wurde auf italienischer Seite der damalige Finmeccanica-Exekutivchef Giuseppe Orsi festgenommen. Indien stellte daraufhin weitere Zahlungen und die Abnahme der übrigen Helikopter ein. Auch in Rom sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Die CBI vermutet, wie »The Hindu« berichtete, »dass Dienstleistungen einiger Mittelsmänner von dem Unternehmen (AWIL) in Anspruch genommen und einigen indischen Bürgern enorme Summen unter dem Vorwand von Ingenieurskontrakten mit zwei indischen Firmen gezahlt wurden«. Alle Beschuldigten streiten die Vorwürfe ab. In einer Stellungnahme von AgustaWestland hieß es, die Firma werde ihre Reputation »robust verteidigen«.
Indische Medien stellen die Vertragsauflösung in den Rahmen einer energischeren Bekämpfung von Bestechungspraktiken seitens der Regierung der Vereinten Progressiven Allianz unter Premier Manmohan Singh. Zu dieser Orientierung wenige Monate vor Parlamentswahlen hat ganz wesentlich der Kurs der Aam Aadmi Party (Partei des kleinen Mannes - AAP) beigetragen. Eben diese Partei übernahm dieser Tage nach Regionalwahlen im Dezember 2013 die Regierung im Unionsterritorium Delhi. Sie kündigte Transparenz und Mitbestimmung der Bürger und einschneidende Maßnahmen gegen die Korruption an. Die AAP gewinnt deshalb landesweit zusehends Anerkennung und Zulauf. Die Kongresspartei als Kern der Vereinten Progressiven Allianz unterstützt die Delhi-Regierung »von außen«.
Indiens Streitkräfte und die Rüstungsindustrie gelten seit Jahrzehnten als anfällig für Korruption. 1987 machten Geschäfte mit schwedischen Bofors-Kanonen und wenig später mit U-Booten von den Howaldtwerken-Deutsche Werft (HDW) Schlagzeilen. Dem folgten Deals mit französischen Scorpene-U-Booten, israelischen Barak-Raketen und tschechoslowakischen Tatra-Militärlastwagen. Immer war Bestechung im Spiel.
Die Ministerriege und andere »höchste Persönlichkeiten« müssen sich nun schleunigst um Ersatz für die AW101-Hubschrauber bemühen, da der Operationszyklus der im Einsatz befindlichen Flotte russischer Mi8-Helikopter im März ausläuft. Aber vielleicht überlassen sie diese Aufgabe der nächsten Regierung.
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