Senk ju vor träwelling
Vor 20 Jahren sollte eine Bahnreform die Reisenden zu »Gewinnern« machen
Berlin. Man kann lesen, schreiben, lachen, träumen, diskutieren - es gibt keine schönere Fortbewegungsart als Bahnfahren. Umso größer ist der Jammer, den das real existierende Schienenverkehrswesen hierzulande zu erzeugen imstande ist. Verspätungen, Preiserhöhungen, falsche Wagenreihungen - die Vielfalt der Leidenserfahrungen, die das letzte Staatsunternehmen seinen eigentlichen Besitzern, den Bürgern, zumutet, ist legendär.
Als vor 20 Jahren Bundesbahn und Reichsbahn in eine Aktiengesellschaft umgetopft wurden, sollte dies dem Reisenden zugute kommen, Streckenstilllegungen verhindern und »ein großes Stück Lebensqualität für unsere Bevölkerung« sichern. So hat es seinerzeit Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann, im Bundestag formuliert. »Gewinner der Bahnreform wird in jedem Fall der Kunde sein, um den sich die Bahn AG dann wirklich bemühen muss, sowohl was den Komfort, was die Pünktlichkeit und Häufigkeit der Zugverbindungen als auch was den Preis angeht.«
Der Mann ist inzwischen Präsident des Verbandes der Autoindustrie - und die Bahn zu einem weltweit operierenden Konzern aufgeblasen worden, in dem die Schönheit des Zugreisens nicht mehr sehr viel, der Profit hingegen fast alles bedeutet. Das dem Zugpersonal abverlangte »Senk ju vor träwelling wizz Deutsche Bahn« (Danke, dass Sie mit der Deutschen Bahn gereist sind) wurde schnell zur Karikatur, der Riss zwischen globalem Konzernanspruch und örtlicher Zugpanne unübersehbar. Wie viele Reisende sehen sich nach zwei Jahrzehnten Deutsche Bahn AG wirklich als Gewinner? Wie viele vom Schienennetz abgehängte Kommunen? Wie viele Beschäftigte des Riesenunternehmens?
Über all dem Meckern und Fluchen die Bahn betreffend, das sich längst wie ein Dauergeräusch über den bundesdeutschen Alltag gelegt hat, sollte dennoch eines nicht vergessen werden: Es gibt kaum eine schönere Fortbewegungsart als die mit der Bahn. nd
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