Proteste in Athen, Belehrungen aus Brüssel
Griechenland startet sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft / Barroso: Reformrhythmus nicht bremsen / Steinmeier zu Besuch
Athen. Mit Protesten und Belehrungen europäischer Politiker ist Griechenland in die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft gestartet. Rund 200 Demonstranten aus der linken Szene machten vor einem Festakt in Athen ihrem Unmut gegen den EU-Kurs Luft. Mehrere Menschen versuchten nach Angaben der Behörden, während der offiziellen Feiern auf ein abgesperrtes Gebiet vorzudringen. Die Polizei griff mit Tränengas an und nahm mehrere Menschen fest.
Derweil machte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso auf Griechenland erneut Druck, weitere so genannte Reformen einzuleiten. Das Land habe zwar »beachtliche Anstrengungen« unternommen, doch es sei »nicht der Moment, um den Reformrhythmus zu bremsen«, sagte Barroso am Mittwoch in Athen. Zur Zeremonie für den offiziellen Antritt der EU-Präsidentschaft reisten am Mittwoch neben Barroso auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und das komplette Kommissionskollegium an.
Griechenland erhält seit 2010 Milliardenzahlungen der Europartner und des Internationalen Währungsfonds - dem Land wird im Gegenzug aber ein drastischer Sparkurs aufgezwungen. Hunderttausende sind in die Armut gestürzt worden, das Land liegt wirtschaftlich am Boden.
Der griechische Regierungschef Antonis Samaras erklärte am Mittwoch nichtsdestotrotz: »Griechenland ist wieder zurück auf den Beinen.« Er hoffe, dass sein Land Ende des Jahres den Euro-Rettungsschirm nach vier Jahren verlassen kann. »Die Anpassungsprogramme wirken. Wir sollten die bislang erreichten Erfolge nicht verschwenden«, sagte Barroso. Es gebe aber noch »Wolken am Horizont«.
Derweil hat Finanzminister Giannis Stournaras zusätzliche Sparmaßnahmen abgelehnt. »Die Lage ist zu schwierig.« Allerdings klafft in der zweiten Jahreshälfte noch eine Finanzierungslücke von elf Milliarden Euro, wie Stournaras vor Reportern angab. Wie sie gestopft werden soll, ließ er offen.
Am Donnerstag wird Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Griechenland reisen, um den Menschen die »deutsche Solidarität« zu zeigen, wie es in Nachrichtenagenturen hieß. »Wir werden den Griechen weiter zur Seite stehen«, sagte Steinmeier am Mittwoch »Spiegel-Online«.
Doch der Sozialdemokrat wurde an dieser Stelle nicht konkreter. Der Außenminister zollte Athen Respekt. »Die Fortschritte dieser Modernisierung im Zeitraffer sind unübersehbar. Die damit verbundenen sozialen Härten aber auch.« Es sei »noch ein langer Weg zu gehen«. Steinmeier will am Donnerstag und Freitag in Athen Präsident Karolos Papoulias, Regierungschef Samaras, seinen Kollegen Evangelos Venizelos sowie Abgeordnete und Wirtschaftsvertreter treffen.
Wegen der drastischen Sparauflagen, die nicht zuletzt auf deutsche Politik in der EU zurückgehen, gibt es in Griechenland immer wieder massive Kritik an der Regierung in Berlin. Die Residenz des deutschen Botschafters in Athen, Wolfgang Dold, war Ende Dezember Ziel eines Anschlags. Damals feuerten Unbekannte mit zwei Kalaschnikow-Sturmgewehren 60 Kugeln ab. Verletzt wurde niemand. Bei Protesten gegen die Sparmaßnahmen wurden immer wieder Deutschland-kritische Parolen gerufen. Agenturen/nd
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