Rückschlag für Kosovo-Politik Brüssels und Belgrads
Gewählter serbischer Bürgermeister von Nord-Mitrovica verweigerte die Unterschrift unter seine Ernennungsurkunde
Drängende Probleme gibt es in Europas Armenhaus Kosovo genug. Doch statt mit Kanalisation, Krankenhäusern und Kindergärten pflegen sich Kosovos Lokalfürsten lieber mit hoher Politik zu beschäftigen. Bevor er überhaupt antrat, hat darum der Sieger der wiederholten Bürgermeisterwahlen in Kosovos serbischer Hochburg Nord-Mitrovica seinen Rücktritt erklärt.
Die von der OSZE organisierten Kommunalwahlen in Kosovo seien ein »großer Betrug« der internationalen Gemeinschaft gewesen, begründete Krstimir Pantic am Wochenende seinen Amtsverzicht: Er würde gegen die Verfassung Serbiens verstoßen, wenn er seine Ernennungsurkunde auf einem Papier unterschriebe, auf dem sich das Wappen der von Belgrad nicht anerkannten unabhängigen Republik Kosovo befinde. Das Wappen auf den Urkunden für die Würdenträger im serbisch dominierten Norden war allerdings weiß überklebt. »Obstruktion« macht Pantic dennoch nicht nur in Brüssel und Pristina, sondern auch in Belgrad aus. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem serbischen Minister für Kosovo, Aleksander Vulin, sei ihm unmöglich, da Vulin nur die Interessen seiner Partei und nicht die des Landes im Auge habe.
Auf Druck der EU hatten sich Belgrad und Pristina im vergangenen Jahr in monatelangen Verhandlungen auf die Teilnahme des überwiegend serbisch besiedelten Nordens an Kosovos Kommunalwahlen verständigt. Die von Brüssel als »historisch« gefeierte Vereinbarung sollte Serbien die Tür für die am 21. Januar beginnenden EU-Beitrittsverhandlungen öffnen.
Pantic war der Wunschkandidat Belgrads für das Amt des Bürgervaters in der Schlüsselstadt Mitrovica. Seine Wahl erwies sich indes als mühsam. Der erste Wahlgang im November musste nach Ausschreitungen von Extremisten wiederholt werden. Danach verpasste der Favorit Belgrads die absolute Mehrheit, in einer Stichwahl konnte er sich nur knapp gegen seinen unabhängigen Herausforderer Oliver Ivanovic durchsetzen.
Zwar kursieren bereits Spekulationen, dass Serbiens Premier Ivica Dacic und sein Kosovo-Kollege Hashim Thaci für ihren von der EU verordneten Zwangsdialog den Friedensnobelpreis erhalten könnten. Doch die Hoffnung Brüssels, mit den Kommunalwahlen die Integration der Serben im Norden in die kosovarischen Strukturen befördert zu haben, dürfte sich als verfrüht erweisen. Mit dem Alleingang Pantics hat die Schaffung eines Verbands der serbischen Gemeinden Kosovos als wichtigstes Gremium der Minderheit erneut einen Rückschlag erlitten.
Pristina hat nun die Wiederholung der bereits wiederholten Wahl in der Serbenhochburg Nord-Mitrovica angekündigt. Doch ein neuer Urnengang kommt unmittelbar vor dem Auftakt von Serbiens Beitrittsverhandlungen weder Brüssel noch Belgrad gelegen. Neuwahlen seien keine Lösung, »alle haben genug davon«, sagt selbst Wahlverlierer Oliver Ivanovic. Für das Possenspiel im erhitzten Hexenkessel von Nord-Mitrovica macht er den sich selbst verhindernden Bürgervater verantwortlich: Sein Rivale Pantic habe offenbar »die Nerven und den Kompass verloren«.
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