»Das würde einen Maulkorb für unsere Partner in Israel bedeuten«
Dagmar Enkelmann über mögliche israelische Strafsteuern gegen Kritiker
nd: »Der Spiegel« berichtet in seiner neuen Ausgabe von einer Gesetzesvorlage, wonach kritische israelische Nichtregierungsorganisationen, die von deutschen Stiftungen finanziell unterstützt werden, mit einer Strafsteuer in Höhe von 45 Prozent belegt werden können. Was sind die Hintergründe?
Enkelmann: Den Versuch, ein entsprechendes Gesetz durch die Knesset zu bringen, hat es bereits 2011 gegeben. Die deutschen politischen Stiftungen sind davon betroffen, weil das für die Partnerorganisationen in Israel bedeuten würde, ihre Kontakt offenzulegen. Stiftungsübergreifend haben wir uns 2011 mit einem Brief an die Abgeordneten der Knesset gewandt, um gegen das Gesetz zu protestieren. Auch sind wir Anfang 2012 mit einer Delegation in Israel gewesen und haben uns dort nochmals kritisch zu dem Gesetzentwurf geäußert - auch direkt in der Knesset durch Gespräche mit verschiedenen Parteien, bis hin zur Siedlerpartei. Das Interessante war: Unsere Erklärung wurde mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Das Gesetz wurde auf Eis gelegt. Und deswegen bin ich sehr verwundert, dass es nun wieder Thema ist.
Was wären die Folgen des Gesetzes?
Letzten Endes würde das Gesetz einen Maulkorb für unsere Partnerorganisationen in Israel bedeuten - und damit auch unsere Arbeit in Frage stellen. Wir als Stiftung sind uns einig: Wir würden die Verabschiedung des Gesetzes bedauern, weil es unsere Arbeit behindert. Ein Beispiel: Wir unterstützen die israelisch-palästinensische Organisation »Combatants for Peace«, die den sogenannten »Alternativen Gedenktag«, bei dem sowohl jüdischer als auch palästinensischer Opfer gedacht wird. Dieses Kooperationsprojekt könnten wir im Falle des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht mehr finanzieren.
Das hieße, der Status als NGO wäre gefährdet?
Ja, dann entscheidet de facto die Regierung, wer sich politisch positionieren, wer sich mit wem treffen und wer sich als Organisation zusammenschließen darf. Daher ist anzunehmen, dass das Gesetz zulasten der Opposition gehen würde. Vor dem Hintergrund der israelischen Sozialbewegungen der letzten Zeit ist dies von besonderem Interesse. Zum Beispiel gab es die Proteste der Wohnungslosen in Tel Aviv. Und es existiert auch eine starke Anti-Siedlungsbau-Bewegung in Israel selbst.
Gibt es weitere Pläne, zusammen mit anderen deutschen Stiftungen gegen die Gesetzesvorlage zu protestieren?
Wir befinden uns in Gesprächen. Und ich gehe davon aus, dass es erneut eine gemeinsame Erklärung geben wird. Das Spannende ist ja, dass politisch unterschiedlich ausgerichtete deutsche Stiftungen in diesem Punkt einer Meinung sind. Die Arbeit der politischen Stiftungen besteht ja vor allen Dingen in Bildungsarbeit und der Unterstützung von Projektpartnern. Es gibt regelmäßige Kontakte zwischen den Stiftungen, weil wir ein gemeinsames Verständnis der Arbeit haben. Und das besteht darin, mit Partnern in den Ländern zu arbeiten. Zwar sind die Partner unterschiedlich. Bei uns zum Beispiel kommen sie eher aus der Frauen-, Umwelt- und den Sozialbewegungen. Das ist bei der Konrad-Adenauer-Stiftung natürlich etwas anders. Doch der generelle Anspruch ist natürlich, dass wir frei sein wollen in unseren Entscheidungen, mit wem wir zusammenarbeiten möchten.
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