Raubüberfall auf Roma-Familie
Flüchtlingsrat vermutet rechtsextremen Hintergrund
Die Meldungen über Anschläge und Angriffe auf Wohnheime von Asylbewerbern häufen sich: In der Silvesternacht attackierten Unbekannte das Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf, am 12. Januar randalierten Angreifer in einer Unterkunft für Asylbewerber in Wohratal bei Marburg. Flüchtlinge und ihre Unterstützer sehen einen Zusammenhang zu der hochgekochten Debatte über »Armutsmigration«. Ein Raubüberfall auf die Wohnung einer Roma-Familie im Kreis Hildesheim könnte ebenfalls einen rassistischen Hintergrund haben, vermutet der Niedersächsische Flüchtlingsrat.
Wie die Betroffenen dem Flüchtlingsrat berichteten, waren in der Nacht zum 4. Januar gegen 1.30 Uhr acht Männer im Alter von etwa 25 bis 30 Jahren in die Wohnung der Familie in der Ortschaft Söhre gestürmt. Zuvor hätten die Angreifer heftig gegen die Tür geklopft. Als der Vater öffnete, habe ihm einer der Männer mit der Faust, in der er eine Pistole hielt, ins Gesicht geschlagen und Geld gefordert. Von dem gewalttätigen Auftreten der Täter eingeschüchtert, habe der Vater ihnen das gesamte Bargeld der Familie in Höhe von 1300 Euro ausgehändigt - als Asylbewerber ohne Bankkonto erhalten die Roma ihre Sozialleistungen bar.
»Nach der äußeren Beschreibung der Täter und dem Eindruck der Familie ist davon auszugehen, dass es sich um Neonazis handelte«, sagt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat. Nach Angaben der Familie hätten zumindest einige von ihnen Springerstiefel getragen und kahl geschorene Köpfe gehabt. In der Region um Hildesheim sind Rechtsextremisten dem Verfassungsschutz zufolge äußerst aktiv.
Nach dem Überfall flüchtete die Familie, zu der neben den Eltern fünf Kinder im Alter von wenigen Monaten bis zehn Jahren gehören, zu Nachbarn. Die Täter seien unterdessen in zwei Autos weggefahren. Wie der Vater weiter berichtete, habe bereits am Abend zuvor ein Wagen mit vier Insassen vor dem Haus gehalten. Diese Personen seien unter den späteren Angreifern gewesen.
Die Polizei in Hildesheim bestätigt in der Sache bisher lediglich, dass Anzeige erstattet worden sei. Erkenntnisse über ein mögliches fremdenfeindliches Motiv hätten die Beamten zunächst nicht, so Sprecher Claus Kubik: »Wir prüfen das aber.«
Der Flüchtlingsrat bemüht sich nun, eine andere Bleibe für die Familie zu finden. Aus Furcht vor weiteren Angriffen wolle sie in der bisherigen Wohnung nicht bleiben. Derzeit leben die sieben Roma bei einer anderen Familie. »Dies kann aber unmöglich ein länger währender Zustand sein«, sagt Sigmar Walbrecht. »In solchen Fällen muss ein schnelles und unbürokratisches Handeln der Behörden möglich sein.«
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