Berlin gehört nicht zu den »Fünf Augen«
Die USA führen einen exklusiven Spionagebund
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy zeigte sich am Montag nach seinem Treffen mit US-Präsident Barak Obama zufrieden mit den Erläuterungen zu den NSA-Spionageprogrammen, die er bekommen hatte. Ende Oktober noch wurde Washingtons Botschafter in Madrid einbestellt, nachdem die spanische Zeitung »El Mundo« unter Berufung auf Snowden-Dokumente gemeldet hatte, dass der US-Geheimdienst in dem südeuropäischen Land allein in einem Monat Daten von 60 Millionen Telefongesprächen gesammelt habe.
Falsch, heißt es in Washington, in diesem Fall handele es sich um Informationen, die vom spanischen Geheimdienst vor allem außerhalb Europas abgeschöpft und dann zur Verfügung gestellt worden seien. Es ist auch solcherart Kooperation, die es allen nach den NSA-Enthüllungen so empörten EU-Staaten schwer macht, eine wirksame gemeinsame Position gegen die beispiellose Ausspähung zu finden. Auf dem jüngsten Gipfel in Brüssel verlor sich ein deutsch-französischer Vorstoß für einen Verhaltenskodex unter Geheimdiensten in letztlich harmlosen Erklärungen und vagen Ankündigungen. Auch die von Berlin mitinitiierte und Ende November von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution gegen internationale Abhör- und Spähaktionen besitzt lediglich Symbolwert, weil sie nicht rechtsverbindlich ist. Ohnehin wurden wichtige Passagen aus Rücksicht auf die USA verwässert.
Bilateral hat Washington bisher außerhalb des »Five Eyes« (Fünf Augen) genannten Geheimdienstbundes mit Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland noch mit keinem anderen Land ein sogenanntes No-Spy-Abkommen abgeschlossen. Das exklusive Spionagenetzwerk ist ein Kind des Kalten Krieges und ging aus der 1946 gegründeten britisch-amerikanischen UKUSA hervor. Mitglieder sind die NSA, der britische GCHQ, der DSD (Australien), der CSEC (Kanada) und der GCSB (Neuseeland). Sie tauschen nach Expertenaussagen selbst sensibelste Erkenntnisse aus und teilen sich Aufgaben, wenn es um das Abfangen und Speichern elektronischer Daten geht. Aber auch andere Länder, darunter Deutschland, profitieren im abgestuften Maße von diesen Geheimdienstinformationen - und liefern. Der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald, der eng mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden zusammenarbeitet, hat keinen Zweifel: Die »Five Eyes« wollen weltweit Privatsphäre abschaffen.
Und es gibt einen wichtigen Nebeneffekt für die »Fünf Augen«: Die Partner haben vereinbart, nicht gegeneinander zu spionieren. Jedenfalls im Prinzip. Snowden-Dokumente belegen nämlich, dass die NSA spätestens seit 2007 zum Beispiel auch Telefongespräche, Mails und andere Internetdaten unverdächtiger britischer Bürger abschöpft, speichert und auswertet. Es gebe dazu sogar eine unter Premierminister Tony Blair erteilte Genehmigung, so der Londoner »Guardian«. Ein Geheimmemo aus dem Jahr 2005 legt zudem nahe, dass die NSA wohl auch Bürger der anderen »Five-Staaten« ausspionieren wollte - ohne die jeweilige Regierung zu informieren. Nicht nur in Berlin wird man nun gespannt auf den Freitag warten, wenn US-Präsident Obama zur angekündigten Reform der NSA Stellung nehmen will.
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