Geduldige Lobbyisten

Linkspartei und Grüne fordern gesetzliche Regelung für Politikerwechsel in die Wirtschaft

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
LINKE und Grüne dringen auf verbindliche Regeln, um zu verhindern, dass Ex-Politiker sich als Lobbyisten verdingen. Nach dem Willen der Regierung sollen Minister selber bestimmen, was sie dürfen.

Seit Jahren schon debattiert der Bundestag immer wieder darüber, wie künftig der Wechsel von ehemaligen Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft geregelt werden kann. Eine Einigung hierzu konnte aber bisher nicht erzielt werden. Nun geht der Streit in eine neue Runde. Anlass hierfür sind der Wechsel des früheren Staatsministers des Bundeskanzleramts, Eckart von Klaeden (CDU), zur Daimler AG sowie das geplante Engagement seines Parteikollegen Ronald Pofalla bei der Deutschen Bahn. Pofalla war erst vor kurzem als Chef des Bundeskanzleramts ausgeschieden.

Die Fraktionen von Linkspartei und Grüne forderten bei einer Debatte im Bundestag Karenzzeiten für ausscheidende Regierungsmitglieder. Im Antrag der Grünen hieß es, dass die Große Koalition einen Gesetzentwurf vorlegen solle, »der eine Beschränkung der Berufstätigkeit von ausgeschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung und Parlamentarischen Staatssekretären für Fälle ermöglicht, in denen die angestrebte Tätigkeit eine Interessenverflechtung mit dem zuvor ausgeübten Amt nahe legt«. Dadurch wollen die Grünen verhindern, dass einstige Spitzenpolitiker im Bereich der Privatwirtschaft »zum Dank für während der Regierungszeit geleistetes Entgegenkommen« hoch dotierte Jobs erhalten. Eine Karenzzeit von drei Jahren sei erforderlich. Die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann bezeichnete die Einführung dieser Reglung als »überfällig«.

Damit würde zwar der schnelle Wechsel von Politikern in die besser bezahlende Wirtschaft erschwert, grundsätzlich könnte ein solches Gesetz aber nicht verhindern, dass frühere Regierungspolitiker ihre alten Kontakte nutzen, um sich als Lobbyisten zu verdingen. Der einstige grüne Außenminister Joseph Fischer wäre hiervon beispielsweise gar nicht betroffen gewesen. Er war geduldig. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung 2005 hielt Fischer zunächst Vorträge für US-amerikanische Investmentbanken und an Universitäten. Im Jahr 2007 gründete er seine Beraterfirma. Erst zwei Jahre später heuerte der Grüne dann als Lobbyist bei den Energieriesen RWE und OMV, dem Autokonzern BMW und der Siemens AG an.

Der Antrag der Linksfraktion zielte in die gleiche Richtung wie derjenige der Grünen. Die LINKE sorgte sich vor allem darum, dass das »Vertrauen in die Politik« durch die Verquickung wirtschaftlicher und politischer Interessen untergraben werde. Im Unterschied zu den Grünen soll sich allerdings die Regelung zu den Karenzzeiten »an der Dauer des Regierungsamtes, dem sich daraus ergebenden zeitlichen Anspruch auf Übergangsgeld und der ressortmäßigen Zuständigkeit« orientieren. Die LINKE-Abgeordnete Halina Wawzyniak sagte, so könne man die Regelung »juristisch sauber« umsetzen.

Denn gegen ein Gesetz zu den Karenzzeiten gibt es juristische Bedenken. Die Regelung könnte vom Bundesverfassungsgericht so bewertet werden, dass es die freie Berufswahl einschränkt. »Ein beschränktes Berufsverbot wäre permanentem Streit unterworfen«, meinte etwa der SPD-Politiker Mahmut Özdemir.

Die Vorschläge der beiden Oppositionsparteien, die nun im Innenausschuss beraten werden sollen, gehen der Großen Koalition viel zu weit. Union und SPD sehen eine gesetzliche Regelung skeptisch. Stattdessen wollen die Fraktionen es dem Kabinett überlassen, eine Selbstverpflichtung zu vereinbaren. Die Minister würden dann selber bestimmen können, was sie dürfen. Eine wirksame Bekämpfung von Lobbyismus wäre dann nicht zu erwarten, allenfalls die Hoffnung auf die Bescheidenheit der ausscheidenden Regierungsmitglieder.

In ihren Vorstellungen über die Länge der Karenzzeiten lagen SPD und Union in den vergangenen Wochen weit auseinander. Die Sozialdemokraten verlangten 18 Monate, die Konservativen konnten sich sechs Monate vorstellen. Als Kompromiss könnten sich die Regierungsparteien auf zwölf Monate einigen. Lobbyismusexperten, wie etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, gehen jedoch davon aus, dass der neue Arbeitgeber in diesem Zeitraum einen ehemaligen Spitzenpolitiker zunächst »parken« und für Vorträge bezahlen könnte, bis er ihn einstellt.

In der Unions-Fraktion konnten viele die Aufregung über die Wechsel von Pofalla und von Klaeden nicht so recht nachvollziehen. Im Parlament sprach der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl von einer »Neiddebatte«. CDU-Mann Bernhard Kaster bemühte sich, die Bedeutung des Lobbyismus in Berlin herunterzuspielen, wo ungefähr 6000 Lobbyisten ihre Netzwerke knüpfen. »Es ist Mode geworden, Lobbyismus als Kampfbegriff zu benutzen«, behauptete der Christdemokrat. Aus seiner Sicht sei eher mehr Austausch zwischen Politik und Wirtschaft sowie Wirtschaft und Politik notwendig. Der Anschein von Interessenkollisionen solle hierbei allerdings vermieden werden, sagte Kaster.

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Union und SPD ihre Ankündigung wahr machen und schnell eine Regelung zum Seitenwechsel von ehemaligen Spitzenpolitikern vorlegen werden. Zwar hofft wohl so mancher in den Reihen der Regierungsparteien darauf, dass die derzeitige Debatte bald wieder abebben könnte. Doch endgültig vorbei sein wird sie dann nicht. Denn der nächste Wechsel eines früheren Regierungsmitglieds in die Wirtschaft ist nur eine Frage der Zeit.

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