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Renzi zieht Berlusconi vor

Italiens Demokraten-Chef erntet Kritik für Missachtung innerparteilicher Demokratie bei der Wahlrechtsreform

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Italien braucht ein neues Wahlrecht. Dazu hat der Vorsitzende der Demokraten, Matteo Renzi, nun einen Vorschlag vorgelegt. Doch selbst in seiner Partei regt sich Widerstand gegen Form und Inhalt.

Für viele Mitglieder und Wähler der Demokraten (PD) war es ein Schlag in die Magengrube, als letzte Woche Silvio Berlusconi den Parteisitz der PD betrat und dort mit dem Hausherren Matteo Renzi stundenlang über ein mögliches neues Wahlrecht diskutierte, das den beiden größten italienischen Parteien - Demokraten und Forza Italia - gefällt.

Nach dem Treffen hieß es, man sei sich in fast allem einig und teile vor allem die gleiche Grundeinstellung: Das neue Wahlrecht soll stabile Regierungen garantieren und den »Erpressungsversuchen der kleinen Parteien« entgegenwirken. Nur jene Parteien, die mindestens acht Prozent der Stimmen oder als Koalition zwölf Prozent erhalten, sollen ins Parlament einziehen. Wer mindestens 35 Prozent auf sich vereinigen kann, soll mit einem »Mehrheitsbonus« die absolute Mehrheit im Parlament erhalten. Kommt im ersten Wahlgang keine Partei bzw. kein Bündnis auf die 35 Prozent, soll es einen zweiten Urnengang geben.

Auf diese Weise - so wünschen es sich Renzi und Berlusconi - soll man ähnlich wie in den USA bereits am Wahlabend wissen, wer das Land in den folgenden fünf Jahren regiert; gleichzeitig will man vor streitlustigen Koalitionen gefeit sein, in denen die kleinen Koalitionspartner die großen erpressen können.

Eine Simulation hat ergeben, dass mit diesem Wahlsystem, das Renzi »Italicum« getauft hat, unter den derzeitigen Bedingungen nur drei Parteien (Demokraten, Forza Italia und die Bewegung Fünf Sterne) ins Parlament einziehen würden und eine von ihnen (heute wäre es die PD) allein regieren könnte. Die Neue Rechte Mitte von Innenminister Angelino Alfano, das Zentrum von Ex-Ministerpräsident Mario Monti, aber auch die Lega Nord und »Linke, Ökologie und Freiheit« (SEL) hätten keine Chance. Mindestens 30 Prozent der Wähler wären nicht repräsentiert.

Abgesehen davon, dass nicht wenige Verfassungsrechtler daran zweifeln, dass so ein Wahlrecht tatsächlich verfassungskonform ist, regt sich nun in vielen Teilen der Gesellschaft Widerstand. Man befürchtet eine »Diktatur der Großen« und eine politische Verflachung der Gesellschaft. Gleichzeitig sehen Kritiker in dem Vorgehen Renzis eine Missachtung des Parlaments, das letztlich nur etwas abnicken soll, was zwischen einigen Wenigen ausgehandelt wurde. Dagegen protestieren vor allem die Anhänger von Beppe Grillo und seiner Bewegung Fünf Sterne (M5S). Sie hatte es abgelehnt, an den Besprechungen der Parteispitzen teilzunehmen und wollen sich erst zu Wort melden, wenn das »Italicum« Mitte Februar ins Parlament kommt. Den Grillini sei jedes Modell recht, wenn es nur möglichst schnell zu Neuwahlen kommt.

Große Debatten gibt es bei den Demokraten, wo Renzi die Parteilinke aus allen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen hat. Er sei schließlich von fast drei Millionen Mitgliedern und Sympathisanten zum Vorsitzenden gewählt worden. Der Präsident der PD, Gianni Cuperlo, ist am Dienstag bereits von seinem Parteiamt zurückgetreten. Er sei besorgt über Renzis Auffassung darüber, was eine Partei ist und wie sie funktioniere.

Durch die Initiativen von Renzi erscheint die Regierung von Enrico Letta (ebenso PD) geschwächt. Die politische Initiative liegt nicht mehr in den Händen des Ministerpräsidenten, dessen gute Beziehung zum Koalitionspartner Neue Rechte Mitte jetzt eher wie ein Auslaufmodell wirkt. Auf der anderen Seite aber wird Renzi kaum auf Neuwahlen drängen, bevor er nicht das neue Wahlrecht in trockenen Tüchern hat.

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